Gute Nachricht für Technologen

Ein neues Buch aus dem Dietz-Verlag, „Der Mensch-lima-Komplex“, ist geeignet, manche Hoffnungen und Illusionen hinsichtlich des Klimaschutzes, aber auch hinsichtlich unserer Vorstellungen von Wetter und Klima, zu erschüttern. Ich musste mich ein paar Mal schütteln, als ich es gelesen habe, aber die Gedanken darin haben einiges für sich, zumal der Autor kein Klimawandelleugner ist, im Gegenteil. Er war bis 2015 Leiter des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht.

Von Storchs Buch liefert zunächst Grundlagenwissen zu den Begriffen Wetter und Klima, um dieses Wissen dann auf die Diskussion über den Klimawandel anzuwenden. Dabei bezieht er sich häufig auf die Forschungen von Nobelpreisträger Klaus Hasselmann.

Der hat seinen Nobelpreis bekommen, weil er eine Formel dafür entwickelt hat, wie man hinsichtlich Wetterkapriolen den menschengemachten Anteil vom statistischen Rauschen der Wetterbedingungen trennt – der Anfang der inzwischen zum Star aufgestiegenen Zurechnungsforschung.

Außerdem diskutiert von Storch, wie Wissen zustande kommt, insbesondere in der Klimaforschung. Und stellt fest, dass es dort durchaus nicht anerkannte Konzepte gibt. Zum Beispiel die sogenannten Kippunkte, die einem in jedem zweiten Artikel um die Ohren gehauen werden. Sie wurden nicht in die wissenschaftliche Konsensfassung aufgenommen, weil es für die Theorie, so anschaulich-schauerlich sie auch sein mag, keine ausreichenden Belege gibt.

Zur Erinnerung: Die Theorie von den Kipppunkten besagt, dass beim Überschreiten bestimmter Schwellen unwiderrufliche Änderungsdynamiken losgetreten werden, die zum Untergang oder jedenfalls zur schwersten Beeinträchtigung der menschlichen Zivilisation führen werden. Das kann man glauben, muss es aber nicht – jedenfalls heute nicht. Das bedeutet nicht, dass Klimaschutz unnötig wäre, aber es nimmt etwas Hysterie aus der Debatte.

Weiter macht von Storch klar, dass wir, um es mal ganz deutlich zu sagen, uns das 2-Grad-Ziel global betrachtet in die Haare schmieren können, weil buchstäblich niemand genug tut, und weil man dies von den sich entwickelnden Ökonomien im Süden auch gar nicht erwarten könne, jedenfalls nicht über irgendwelche Verzichtlogiken.

Daraus folgt, so Storch, dass alle, uns auch unsere Gesellschaft insgesamt sehr viel mehr für Klimafolgenvermeidung tun muss, statt ausschließlich auf Klimaschutz zu setzen. Das mache, so der Autor, Klimaschutz mitnichten unnötig, beides sei unverzichtbar, wie er immer wieder betont. Da man aber vorhersehbarerweise die gesetzten Klimaziele nicht erreichen werde, sei es schlicht fahrlässig, nicht mehr Vorbeugung zu betreiben. Nichts anderes, so Storch, trieben ja die kontinentaleuropäischen Nordseeanrainer schon seit Jahren.

Schließlich sagt von Storch, dass des Westens Beiträge zu Klimaschutz und Klimafolgenschutz beispielsweise darin bestehen könnten, Reis zu züchten, der weniger Methan ausgast (Methan aus Reisfeldern ist der wichtigste Emittent dieses höchst klimawirksamen Gases) oder andere technologische Errungenschaften zu entwickeln, die dann günstig in den Süden exportiert werden könnten, weil man sie tatsächlich attraktiv findet – wenn sie bei uns im Einsatz ihre Tauglichkeit bewiesen haben.

Sprich: Mehr Technologie und weniger Verzicht. Aber auch Verzicht darauf, den Aufbau und das Ausprobieren neuer Umwelttechnologien immer wieder durch Gerichtsklagen nach dem Motto „Not in my backyard“ zu verhindern. Das könnte auf Dauer etwas bringen. Die Einhaltung des 2-Grad-Zieles allerdings wohl kaum.

Bibliographie

Von Storch, Hans: Der Mensch-Klima-Komplex. Was wissen wir? Was können wir tun? Zwischen Dekarbonisierung, Innovation und Anpassung. Broschiert, zahlreiche s/w und farbige Abbildungen, 192 Seiten. Dietz-Verlag, Bonn, 2023. ISBN 978-3-8012-0659-8, 19,90 €

Die Jungen haben einen Plan

Viele junge Menschen fühlen sich abgehängt und dank fehlenden Wahlrechts nicht ernst genommen, insbesondere angesichts der Klimakrise, aber auch sozialer Spaltung, globaler Ungerechtigkeit und weiterer Themen.

Nun haben sich acht Mitglieder des Jugendrates der Generationenstiftung hingesetzt und ihre Vorstellungen aufgeschrieben. „Ihr habt keinen Plan – Drum machen wir einen. Zehn Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft“, erschienen im renommierten Blessing-Verlag, ist eine rund 250 Seiten lange Streitschrift, in der die Jungen den älteren Generationen – man sollte vielleicht definieren: den Fourty-Somethings und darüber – ihre Abrechnung präsentieren: Klimawandel? Verpennt. Unbegrenztes Geldverdienen und Spekulieren statt Menschlichkeit und sozialer Gerechtigkeit. Mauern und Aufrüstung statt grenzenloser Frieden. Digitalisierung ohne Peil. Bildung ohne Geld und Demokratie unter Ausschluß der Jugend, die alle genannten Fehlentwicklungen ausbaden darf.

Wortgewaltig werden in den zehn Kapiteln zunächst die bisherigen Versäumnisse anhand valider Quellen dargestellt, dann folgen jeweils die Abhilfen, die sich die Autor*Innengruppe, natürlich nach ausführlichen Diskursen mit der Fachöffentlichkeit, überlegt hat. Das liest sich streckenweise wie die zusammengefassten Empfehlungen aller Räte, Gremien, Kongresse etc., die in den vergangenen Jahren zur Zukunft von Gesellschaft und Planet einberufen wurden. Und deren wissenschaftlich fundierte Ratschläge genauso regelmäßig, wie entsprechende Veranstaltungen oder Vorhaben stattfanden, missachtet wurden. Nun also reicht es der Jugend, oder jedenfalls einem Teil, und sie formuliert das Gegenkonzept.

Es lohnt sich auf jeden Fall, diese Vorwurfsliste und die Gegenvorschläge zu lesen. Was aber ermüdet, ist der Rundumschlag, der wirklich kein Thema auslässt. Das Buch hätte wahrscheinlich mehr Wirkung, wenn es sich auf wenige Themen beschränkte. Zumal vieles, etwa der Weltfrieden, eben nicht in deutscher Hand liegt. Selbst wenn Deutschland (wünschenswerterweise) seine Waffenexporte in Krisengebiete oder auch die gesamte Waffenproduktion sofort einstellen würde, würde deshalb wohl kaum der Frieden auf Erden ausbrechen.

Europa vorwiegend negativ?

Befremdlich ist der nahezu vollständig negative Blick, den die Autor*innen anscheinend auf Europa haben. 70 Jahre Frieden in Kerneuropa scheinen keine erwähnenswerte Errungenschaft zu sein, obwohl ohne sie wohl nicht möglich wäre, sich überhaupt so intensive Gedanken um die fernere Zukunft zu machen. Anscheinend fehlen inzwischen die Augenzeugen des Kriegsgeschehens und ihre Berichte.

Natürlich ist vieles, was Europa heute an seinen Grenzen und im Ausland tut, höchst fragwürdig. Wer jedoch das Land verlässt und die Schlagbäume und Kontrollen erlebt, die sich zwischen vielen Ländern anderswo erheben, sollte die Einmaligkeit des grenzenlosen Kontinentalwesteuropa schätzen und ihn natürlich auf andere Regionen auszudehnen versuchen.

Leider ist es auch ein Irrtum davon auszugehen, dass unsere Vorstellungen von Menschenrechten überall in der Welt auch nur unhinterfragt anerkannt würden, und dies gilt, genauso bedauerlicherweise, nicht nur für korrupte Regierungseliten, sondern für breite Bevölkerungskreise. So muss man wahrscheinlich davon ausgehen, dass der Umgang mit den Uiguren großen Teilen der chinesischen Bevölkerung und auch der chinesischen Jugend schnurzegal ist.

Die europäische Jugend sollte dafür streiten, dass den hehren Versprechungen Europas Taten folgen. Fridays for Future und der daraus entstandene aktuelle Versuch der Politik, Europa zur Klimaneutralität zu verpflichten, aber auch das nun immerhin etwas verschärfte Klimapaket der Bundesregierung sind Beispiele dafür, wie stark gezielter Protest wirken kann.

Denn es lohnt sich, für Europa zu kämpfen. Immerhin verdanken wir den europäischen Institutionen große Fortschritte bei der Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, bei der Gleichstellung der Homosexuellen, die Urteil für Urteil vor der europäischen Gerichtsbarkeit erstritten wurde, und inzwischen auch bei der Gesetzgebung in Richtung ökologischer Nachhaltigkeit. Europa ist Deutschland hier in vielem voraus, siehe etwa auch die Düngemittelrichtlinie.

Unbestritten ist aber das behebungswürdige Demokratiedefizit der europäischen Politik, über das sich auch die Autor*Innen beklagen.

Dem Digitalwahn erlegen

Seltsam verwaschen kommt das Kapitel zur Digitalisierung daher. Grenzenlose und umfassende Digitalisierung ist inzwischen in den Rang einer weltgeschichtlichen Unausweichlichkeit erhoben wie, nun ja, vielleicht höchstens noch der Kampf gegen den Klimawandel. Die PR-Abteilungen der IT-Unternehmen haben also ganze Arbeit geleistet.

Kritisch sehen die Autor*innen des Buches vor allem die Daten-Sammelei und die oligopolistische Struktur der Plattformökonomie. Wenig beleuchtet wird unter anderem das Risiko, das wir eingehen, indem wir die gesamte Zivilisation lückenlos von einer Technologie abhängig machen, deren Tiefenwirkungen kaum verstanden wurde und deren dringender Regulierungsbedarf erst langsam sichtbar wird. Genau wie die darin verborgenen Risiken für Freiheit und Demokratie, siehe China.

Zudem ist die Existenz digitaler Technologien höchst fragil. Digitaltechnik kann durch einen einzigen großen elektromagnetischen Puls, einen Krieg in einer der Regionen, wo die Hardware produziert wird oder digitale Schädlinge im Nu komplett zerstört werden.

Der Digitalwahn verkleistert vielen wohl auch komplett die Sicht darauf, dass Online-Streamen, Liken, Gaming und wer weiß was noch alles zwar vielen die Tasche füllt, auch Spaß macht und die Kommunikation erleichtert, aber gleichzeitig einen gigantischen und immer weiter wachsenden Fußabdruck erzeugt – energetisch sowie materiell, denn die meisten Smartphones werden nach zwei Jahren aussortiert, und selbst zur Sekundärnutzung fit gemachte Hardware überschreitet selten die Nutzungsdauer von zehn Jahren. Danach wird aus High-Tech Müll.

Software wird in keiner Weise energieoptimiert entwickelt, Daten (wie das berühmte Katzenvideo) möglichst ständig über die Cloud transportiert, selbst wenn es nur darum geht, sie vom Smartphone auf den Rechner auf demselben Schreibtisch zu verlagern. Wen stört`s, wenn dafür zig Rechenzentren und Übertragungsleitungen arbeiten müssen? Die Energie wird ja den Einzelnen nur äußerst unvollständig in Rechnung gestellt.

Die in der IT enthaltenen Materialien sind zur Zeit nur sehr beschränkt rezyklierbar. Viele der in sehr kleinen, aber unentbehrlichen Mengen hinzugefügte Stoffe werden es vielleicht niemals sein, weshalb man jetzt in Tiefsee, auf Kometen oder dem Mond danach sucht. Vielleicht sollte man sich sicherheitshalber als junger Mensch das (bei den geschmähten über 60jährigen durchaus noch vorhandene) Bewusstsein bewahren, dass ein qualitätsvolles Weiterleben durchaus auch ohne oder mit erheblich weniger IT möglich wäre, die dafür sehr viel mehr kosten und länger halten müsste.

Fazit

Die jungen Rebellen aus der Generationenstiftung haben sich viel Mühe gegeben. Viele der Lösungsvorschläge sind bekannt und kaum bestritten, man müsste sie nur umsetzen wollen. An letzterem hapert es bislang in der Gesellschaft. Inwieweit die junge Generation hier anders ist, muss sich zeigen, wenn sie das erwerbsfähige Alter erreicht und der Statuswettbewerb um Geld und Güter mit Gleichaltrigen einsetzt. Es wäre zu hoffen, dass der Idealismus, von dem das Buch getragen ist, weiter reicht als bis zur ersten Gehaltserhöhung nach Studium oder Ausbildung.

Bibliographie: Der Jugendrat der Generationen Stiftung: Ihr habt keinen Plan. Darum machen wir einen. 10 Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft. Broschiert, 272 Seiten incl. ausführlichem Quellenverzeichnis. Blessing-Verlag 2019, 12 Euro. ISBN 973-3-89667-656-6

Retten wir den Regenwald?

Rechtzeitig zur Klimakonferenz inParis ist ein neuer Bericht an den Club of Rome im oekom-Verlag erschienen. Diesmal geht es um den Regenwald und seine schrittweise Zerstörung seit Beginn der Kolonisierung. Im Gegensatz zu den häufig pauschalisierenden Darstellungen geht das Buch von Claude Martin, der sich seit Jahrzehnten, unter anderem als Direktor des WWF, um die Erhaltung der Regenwälder bemüht, ins Detail. Wir erfahren, welchen Mustern die Abholzung oder Degradierung des Regenwaldes in jeder der großen geografischen Regionen folgt, warum es so schwierig ist, ein Bild von der tatsächlich verbliebenen Menge Regenwald zu gewinnen, welche Rolle bei der Regenwaldzerstörung unterschiedliche wirtschaftliche Aktivitäten spielen und warum der Regenwald überhaupt wichtig ist. Und wir hören von den vorhandenen Hoffnungsschimmern, die es möglich machen könnten, die einzigartige Ressource Regenwald für die Zukunft zu erhalten. Dies alles in einer anschaulichen, aber trotzdem fachlich korrekten Sprache und unterlegt mit Bildmaterial, das die Texte anschaulich werden lässt. An verschiedenen Stellen sind wenige Seiten lange Stellungnahmen von Spezialisten zu unterschiedlichen Themen in den Text eingestreut. Den Abschluss bilden 17 „Kernbotschaften für die Zukunft“ zu den Themen Naturschutz, Strategie sowie Allianzen und Partnerschaften, die beschreiben, welche politischen Strategien und Maßnahmen helfen könnten, den Regenwald zu erhalten. Im Anhang erfahren die Leser Details über Messmethoden der Waldabdeckung und ihre Ergebnisse, lernen unterschiedliche Waldklassifizierungssysteme kennen, können in einem Glossar wichtige Begriffe aus dem Text nachschlagen und im ausführlichen Quellenregister Sekundärliteratur nachschlagen. Ein Stichwortverzeichnis erleichtert es, Informationen zu spezifischen Details zu finden. Wer wirklich wissen will, was mit den Regenwäldern geschieht und wie es um sie steht, ist mit diesem anspruchsvoll ausgestatteten Buch aus klimaneutral produzierten Buch gut bedient.

Bibliographische Angaben: Claude Martin, Endspiel. Wie wir das Schicksal der tropischen Regenwälder noch wenden können. Der neue Bericht an den Club of Rome. Oekom-Verlag, München, 2015. 351 Seiten, gebunden, zahlreiche Abbildungen, ausführliches Quellen- und Stichwortverzeichnis. ISBN9-783865-817082, 22,95 Euro.

Rezension: Degrowth-Theorie vom Feinsten

Wer einmal kurz und präzise gefasst nachlesen möchte, was die Argumente dafür sind, dass sich die Wirtschaft, wenn sie nachhaltig werden will, vom Wachstumsparadigma verabschieden muss, ist mit dem Bändchen „Es reicht! Abrechnung mit dem Wachstumswahn“ des Franzosen Serge Latuche bestens bedient. Auf nur 200 DIN-A-6-Seiten und versehen mit einem Vorwort von einem der radikalsten Wachstumkritiker hierzulande, Niko Paech, legt Latouche, emeritierter Wirtschaftswissenschaftler dar, warum Wachstum als Ziel und Konzept dauerhaft auf einem endlichen Planeten nicht funktionieren kann. Dabei vermeidet es der Wissenschaftler, der sich neben Ökonomie auch noch mit Philosophie auskennt, sich in ideologischen Scharmützeln wie der Debatte Kapitalismus versus Sozialismus oder Kommunismus zu verstricken. Vielmehr argumentiert er konsequent mit den ökologischen, aber auch sozialen Grenzen, die das Wachstumskonzept erreicht oder überschreitet: Wenn fürs Wachstum alles zur Ware gemacht wird, wo ist dann der Platz für Menschlichkeit. Latouche arbeitet sich bei seinem Konzept der Wachstumsrücknahme an den Begriffen Reevaluation und Rekonzeptualisierung (unserer Werte), Restrukturierung (unseres Produktionssystem entsprechend dem neuen Wertesystem), Redistribution (des Reichtums weltweit), Relokalisierung (der Ökonomie), Reduktion (des Verbrauchs) und Recycling (von Gütern und Waren) entlang, was zeigt, dass er es für unmöglich hält, ein nachhaltiges Wirtschaftssystem ausschließlich durch den Einsatz neuer technologie zu schaffen. In der Tradition von Denkern wie Illich fordert er, ausgehend von lokalen Initiativen, den Aufbau einer neuen, auf Konvivalität fokussierten Gesellschaft, die Wachstum nicht mehr will, weil es dem zentralen Konzept einer solchen Gesellschaft, nämlich dem gedeihlichen menschlichen Miteinander, ab einem bestimmten Punkt im Wege steht, den westliche Zivilisationen längst überschritten haben. Interessant ist, wie Latouche Menschenrechte und Humanismus diskutiert: Weder möchte er eine Gesellschaft, in der der Mensch als Gipfel der Schöpfung betrachtet wird, noch argumentiert er wie radikale Tierrechtler, die gar keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier mehr machen wollen. Vielmehr sucht er auch hier einen Mittelweg, der Lebewesen und auch Dinge wieder in ihrer Einmaligkeit und Existenzberechtigung würdigt, statt sie um des Gewinns und des Wachstums willen sinnlos auszurotten oder vorzeitig zu zerstören, damit neu gekauft werden muss oder weiter gewachsen werden kann.

Bibliographie: Serge Laltouche: Es reicht! Abrechnung mit dem Wachstumswahl. Mit einem Vorwort von Niko Paech. Gebunden, 200 Seiten, Oekom-Verlag, München 2015. ISBN9-783865-817075, 14,95 Euro.

Transformation: Wie man weniger macht, ohne schlechter zu leben

Der Bürgerschreck der Wachstumsfetischisten, Harald Welzer, hat, diesmal mit Co-Autor Bernd Sommer, wieder einmal ein Buch veröffentlicht. Es heißt: Transformationsdesign – Wege in eine zukunftsfähige Moderne. Wer nun glaubt, darin gehe es in erster Linie um technologische Innovationen, mit denen sich doch noch der Planet retten lässt, ohne ansonsten viel an unserem Verhalten zu verändern, irrt.
Beim Transformationsdesign geht es um etwas ganz anderes: Wie man den Verbrauch von Gütern, Raum, Kapital etc. radikal herunterschraubt, ohne gleichzeitig liebgewordene Errungenschaften wie Demokratie, staatliches Gewaltmonopol, Meinungsfreiheit etc. einzubüßen.
Denn an seiner Ausgangsthese – und schon hier werden sich die Geister scheiden – lassen die Autoren keinen Zweifel: Auf einem endlichen Planeten ist kein unendliches Wirtschaftswachstum möglich, vielmehr rennt die Zivilisation an vielen Stellen gegen Grenzen des planetaren Lebensraumes, die sie dauerhaft nur um den Preis der Selbsatauslöschung verletzen kann. Wenn sie dies nicht will, muss sie auf Wirtschaftswachsstum verzichten, sich bescheiden also.
Mit „Green Growth“ muss man den beiden Autoren nicht kommen. Sie erklären, warum aus dieser diese neue Variante des alten Spruchs „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ schlicht nicht funktionieren kann und auch, warum es uns allen und auch den gesellschaftlichen Strukturen als ganzes so schwer fällt, das zu akzeptieren und tatsächlich etwas anderes zu machen. Das, so die Autoren, hat zunächst mit der Verflochtenheit der unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereiche und der tiefen Verankerung des Wachstumsprinzips mit ihrem Funktionieren zu tun – bis hin zur Psyche des Einzelnen. Außerdem spielt eine Rolle, dass sich unweigerlich die Machtfrage stellt, wenn Gerechtigkeit nicht mehr realisiert oder vorgetäuscht werden kann, indem man einfach einen noch größeren Kuchen verteilt. Bleibt der Kuchen gleich groß oder schrumft er sogar und wollen trotzdem alle was davon, gibt es Stress und Machtkämpfe, denn dann bleibt nur die Umverteilung.
Ob und wie intelligent umverteilt wird, so die Autoren, werde entscheiden, wie die Zukunft menschlicher Zivilisationen tatsächlich aussieht, und dieser Ausgang hänge, wie bei allen großen gesellschaftlichen Veränderung von Kampfbereitschaft, Kraft und Ausdauer der Beteiligten ab. Bei anderen großen Transformationsbewegungen, etwa der Abschaffung der Sklaverei oder der Frauenbewegung, sei dies auch nicht anders gewesen.
Als Mutmacher enthält das Buch viele Beispiele für gelungenes Transformationsdesign. Sie beheben die Illusion, Nachhaltigkeit sei per se nur über neue Technologie oder kompletten Komfortverlust realisierbar. Die wichtigsten Ressourcen dabei sind soziale Intelligenz und Kreativität.

Bibliographische Angaben: Bernd Sommer, hara.d Welzer: Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne. Gebunden, 240 Seiten, Ökom-Verlag-München 2014. ISBN-10:3-86581-662-2, 19,95 Euro

Große Transformation zum Selbermachen

Rob Hopkins ist einer der Begründer der Transition-Town-Bewegung. Deren Ziel ist es, die „Große Transformation“ zur nachhaltigen Gesellschaft einfach im Hier und Jetzt zu beginnen, statt auf irgendeine Zukunft zu harren oder zu hoffen, irgend jemand anders werde es schon erledigen. Das broschierte Büchlein ist ein Mut- und Muntermacher für alle, die an der Trägheit der Zustände und ihrer eigenen schon fast verzweifelt sind, aber auf jeden Fall ihr Leben in Richtung Nachhaltigkeit verändern wollen. Er bringt dabei ein schönes Beispiel, das ich aus meiner eigenen Berufspraxis als Journalistin bestätigen kann: Hopkins berichtet von einer Management-Tagung, auf der die Manager selbst in einer geschützten Umgebung mehr oder weniger alle zu dem Schluss kamen, dass es mit dem Wachstum vorbei sei, dass man die natürlichen Grenzen respektieren müsse etc. Dieselben Manager auf dem Podium einese Industriekongresses reden wieder von Wachstum, ROI (Return on Investment), Rendite, Beschleunigung und Effizienz. Das erlebe ich auch immer wieder, wenn ich mich auf Presseveranstaltungen, Kongressen oder bei anderen Gelegenheiten mit durchaus höherrangigen Firmenvertretern unterhalte: Sie wissen durchaus um die Lage und sehen, dass es so nicht weitergeht, reden aber, sobald sie auf einer Bühne oder in einem offiziellen Kontext stecken, exakt das Gegenteil. Hopkins hat sein Buch in einer verständlichen Sprache geschrieben. Im ersten Kapitel beschreibt er, warum die Transformation nötig ist, warum jeder einzelne einfach damit anfangen kann und auch sollte. Und schließlich zeigt er, dass sich an vielen Stellen schon zaghafte erste „Nachhaltigkeits-Pflänzchen“ zeigen.
Anschließend kommt ein Kapitel dazu, wo und wie Transition-Initiativen schon was erreicht haben und warum. Kapitel Drei befasst sich mit dem Wie der Angelegenheit. Gerade hier ermutigt Hopkins, er macht aber auch klar: Ohne Zeitaufwand und Eigeninitiative geht es nicht. Außerdem weist er darauf hin, wie wichtig es ist, einerseits an einem Thema zu arbeiten, andererseits aber auch darauf zu achten, dass die Gruppe, die an dem Thema arbeitet, eine Struktur bekommt und sich gut entwickelt. Kapitel Vier bricht das Transition-Thema auf deutsche Verhältnisse herunter, denn auch hierzulande gibt es bereits 40 Initiativen, die meisten von ihnen noch sehr jung. Es lohnt sich also, in der eigenen Stadt nachzuforschen, ob es schon eine Transition-Initiative gibt, der man sich anschließen könnte. Die Literaturliste ist umfangreich und die meisten zitierten Arbeiten im Internet zugänglich, was die Weiter- und Nachrecherche erleichtert. Denen, die eigentlich gern etwas täten, sich aber nicht trauen, ist das Buch auf jeden Fall zu empfehlen, allen anderen könnte es den Weg zu einem solchen Wunsch ebnen. Denn was Hopkins neben neuen Projekten vor allem anregen will, ist die Einsicht, dass Nachhaltigkeit nicht Kargheit und Verlust, sondern wahrscheinlich mehr lokale Vielfalt und Reichtum bedeutet.

Bibliographie: Rob Hopkins: Einfach. Jetzt. Machen! Broschiert, 192 Seiten, Oekom-Verlag München 2014, ISBN 3-86581-458-1, 12,99 Euro.

Ressourcenthema ohne Katastrophismus gedacht

Bücher über Ressourcenmangel gibt es reichlich, seit die Befürchtung Raum greift, Mangel an Wasser, fruchtbarem Boden oder Klimaschöden könnten das Los der Menschen auf der Erde dauerhaft verschlechtern. Der Anfang des Jahres im oekom-Verlag erschienene Band „Wettstreit um Ressourcen“ betrachtet das Thema kritisch und bürstet einige gern geäußerte Themen gegen den Strich. Weil das Buch aus einer Ringvorlesung der Universität Osnabrück und Vorträgen im Rahmen anderer Veranstaltungen entstanden ist, geschieht dies in Form einzelner, voneinander unabhängiger Beiträge, zu denen jeweils reichlich Sekundärliteratur angegeben ist, so dass man bei Themen, die besonders interessant erscheinen, Stoff zum Weiterlesen findet.
Die Aufsätze gliedern sich in drei Bereiche: Teil I befasst sich generell mit der Frage, ob und in welchem Umfang Ressourcenmangel politisch in einen Sicherheitskontext eingeordnet und zur Ursache sozialer, gesellschaftlicher oder kriegerischer Konflikte werden oder bereits geworden sind.
Teil II betrachtet das Thema Klimawandel, Teil III Wasser und Boden als bedrohte Einzelressourcen.
Die beiden Aufsätze des ersten Teils versuchen, die Reichweite des Themas abzustecken. Dabei geht es zum einen in die häufig zu beobachtende Integration von Ressourcenfragen in sicherheitspolitische Kontexte. Dabei unterscheidet der Autor einerseits zwischen geografischen Bezügen wie global/regional, zwischenstaatlich oder innerstaatlich und dem jeweiligen Ressourcenbezug (Knappheit, Überfluss, Abhängigkeit). Je nachdem, ob eine Ressource knapp, reichlich oder aber das Land prägend erscheint, bedeutet das auf jeder geografischen Ebene charakteristische Konfliktmöglichkeiten, die der Beitrag herausarbeitet. Der Autor versucht zu beschreiben, was dazu führt, dass Prozesse, die sich entlang der Verfügbarkeit von Ressourcen entwickeln, immer stärker in Kriterien der Sicherheitspolitik diskutiert werden – und unter welchen Umständen auch eine Rücknahme der Securitization möglich ist oder aber ihr Entstehen verhindert werden kann. Der zweite Beitrag beschreibt, welche gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen dazu führen können, dass Ressourcenknappheit und –überfluss zu konflikten führen. Dabei setzt sich der Autor intensiv mmit dem vorhandenen Studienmaterial und den zum Teil nicht ausdiskutierten Theorien über Ressourcen als Konfliktursache auseinander.
In Teil II mit insgesamt fünf Aufsätzen geht es explizit um das Thema Klimawandel. Diskutiert wird beispielsweise, ob der Klimawandel den globalen gesellschaftlichen Trend zu weniger Gewalt, der statistisch belegt ist, umkehren könnte (dazu gibt es keine eindeutige Antwort). Mit Otmar Edenkofer befasst sich ein Spezialist mit den Entwicklungen der aktuellen Klimapolitik nach Durban. Ein dritter Aufsatz begründet, warum Klimapolitik gewissermaßen die zukünftige Weltpolitik ist beziehungsweise sein muss. Der Beitrag weist aber auch darauf hin, dass es immer schwerer werden dürfte, sich international zu vertrauen, wenn der Klimawandel ungebremst fortschreitet und fordert deshalb zu schnellem Handeln auf, im zweifel auch in kleinen internationalen Koalitionen ohne die Bremser der Klimapolitik wie USA und China. Ein weiterer Beitrag befasst sich mit der Unterechtigkeit des Klimawandels, der genau die am härtesten trifft, die am wenigsten zu ihm beitragen, und deren Auswirklungen. Schließlich geht es in einem Text um die in der EKD-Denkschrift „Umkehr zum Leben – Nachhaltige Entwicklung im Zeichen des Klimawandels“ aufgestellten Normen und ihre Anwendung in der Evangelischen Kirche Deutschlands. Hier zeigt sich, dass der ernsthafte Versuch, eine Organisation klimagerecht auszurichten – die Nordkirche der EKD möchte bis 2050 kohlendioxidfrei sein und schon bis 2017 ihre Emissionen um ein Viertel senken. Beim Bericht über die Bestrebungen zeigt sich, dass hier durchaus tief in die Lebensweise der einzelnen Kirchenmitarbeiter und –mitarbeiterinnen eingegriffen wird.
Teil III befasst sich mit zwei für das Überleben der Menschheit besonders wichtigen Ressourcen: Wasser und Boden. Dabei gilt es festzustellen, dass es keine Grundlage dafür gibt, anzunehmen, Wasserknappheit führe automatisch zu Kriegen. Die vorhandenen Daten jedenfalls, auf die sich gleich mehrere Aufsätze in diesem Themenbereich beziehen, sagen etwas anderes: Nur eine einstellige Zahl der Wasserkonflikte endete in Kriegen, etwas eher resultierten sie in innerstaatlichen Konflikten. Betont wird die Notwendigkeit, kooperative Governance gemeinsam genutzter Wasserressourcen zu fördern.
In den drei abschließenden Texten geht es um das Thema Land und Landgrabbing. Hier wird das derzeit herrschende Denkparadigma, es gehe vorwiegend darum, Eigentumstitel auszustellen, anhand der Resultate dieser Politik in verschiedenen Regionen in Frage gestellt. Am Beispiel von Nordafrika wird versucht, die Rolle des Ressourcenmangels beim Entstehen des sogenannten Arabischen Frühlings genauer zu analysieren. Schließlich nimmt ein Aufsatz die Landnahme zum Zweck des ökologischen Schutzes in den Blick. Wer sich für grundlegende Ressourcenthemen und einen Diskurs abseits des populärwissenschaftlichen Mainstreams mit seinem katastrophensüchtigen Unterton interessiert, findet in dem broschierten Buch einen guten Einstieg ins Thema.

Bibliographie: Ulrich Schneckener, Arnulf von Scheliha, Andreas Lienkamp, Britta Klagge (Hrsg.): Wettstreit um Ressourcen. Konflikte um Klima, Wasser und Boden. Broschiert, 278 Seiten, 14 Einzelbeiträge, jeweils mit ausführlichen Angaben zur Sekundärliteratur. Oekom-Verlag, München, 2014. ISBN 9-783865-814210, 29,95 Euro.

(Wie) Geht Nachhaltigkeit psychologisch?

Nachhaltigkeit ist inzwischen eine Art Zauberwort, in das sich nahezu alles einpacken lässt. Der Begriff wird heute derart verwässert, dass man auch dauerhaftes Wirtschaftswachstum als nachhaltig begreift, was ja eigentlich genau das Gegenteil ist, nämlich nicht nachhaltig. Zwei Bücher aus dem oekom-Verlag beschäftigen sich mit der Frage, wie wirkliche Nachhaltigkeit – also dauerhaftes menschliches Leben auf einer Erde mit den vorhandenen Ressourcen, ohne den Nachkommen und anderen Lebewesen die Lebensmöglichkeiten über Gebühr zu beschneiden, aussehen könnte.
Das erste, „Damit gutes Leben einfacher wird“ befasst sich mit den Rahmenbedingungen, die der Staat setzen müsste (es aber häufig unterlässt), damit suffizientes Verhalten nicht das schweißtreibende und noch dazu gesellschaftlich relativ ineffiziente Hobby einzelner Gutwilliger bleibt, sondern zur gesellschaftlichen Leitlinie wird. Und es räumt auf mit dem Vorurteil, dass dauerhaftes Wachstum auch in den entwickelten Ökonomien irgendetwas mit Lebensqualität zu tun hat. Geschrieben haben es Uwe Schneidewind, Leiter des Wuppertal-Instituts für Klimaforschung, und Angelika Zahrnt, langjährige Vorsitzende des Bund Naturschutz und bis heute Mitfrau des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierun. Die beiden legen ein viergliedriges Konzept zugrunde und untermauern dieses dann mit Maßnahmen, die in vier Kapiteln dargestellt werden. Als die vier Säulen ihres Konzepts nennen sie Ermöglichen, Rahmensetzung, Gestaltung und Orientierung (ERGO). Die einzelnen Maßnahmen, die in den vier ersten Kapiteln (eins zu jeder Säule) vorgeschlagen werden, sind dabei an sich nichts Neues (dezentrale Energieversorgung und Energieeinsparung, ökologische Steuerreform, Entschleunigung, Verteuerung des Flugverkehrs….). Sie werden hier aber unter dem Label Suffizienzpolitik konsequent zu einer sinnvollen Einheit verschweißt, die von Anfang an klar macht, wohin das Ganze zielt: Nämlich auf ein gutes Leben trotz sehr geringem oder keinem Wirtschaftswachstum. Dass der Zug, strebt man Nachhaltigkeit an, unweigerlich in diese Richtung fährt, darum reden sich die meisten Umweltpolitiker inzwischen nämlich vornehm herum, sogar bei den Grünen ist heute leider von „Green Growth“ statt von Suffizienz und damit Wachstumsverzicht die Rede. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der Rolle der Zivilgesellschaft, von der momentan die konsequenteren Ansätze in dieser Richtung ausgehen. Die Autoren zeigen auf, wie Bürger, Umweltverbände, Gewerkschaften, Wissenschaft, Unternehmen und andere sich auf den Weg zur Suffizienz machen können. Das Büchlein im handlichen Kleinformat passt in jede Tasche und eignet sich daher als argumentative Munitionierung für entsprechende Debatten.
Das zweite Buch, „Psychologie der Nachhaltigkeit“, befasst sich mit der interessanten Frage, welche seelischen Ressourcen eigentlich dem Wachstum gerwöhnten Menschen der Neuzeit zur Verfügung stehen, um mit einem Verlust an Wachstumsperspektiven auf der materiellen Ebene fertig zu werden. Nach der Analyse der bisherigen Forschung aus verschiedenen Gebieten ordnet der Autor das Thema in einen theoretischen Rahmen ein, die sogenannte Genuss-Ziel-Sinn-Theorie des subjektiven Wohlbefindens, die sich grob dahingehend zusammenfassen lässt, dass es sich, zumindest wenn ein Minimum materieller Güter vorhanden ist, lohnt, sich stärker auf immaterielle Ziele zu konzentrieren, um Glück, Zufriedenheit und Lebenssinn zu steigern. Damit dies gelingen kann, identifiziert der Autor sechs Ressourcen, nämlich Genussfähigkeit, Selbstakzeptanz, Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit, Sinnkonstruktion und Solidarität, die, optimal ausgeschöpft, erreichen können, dass Menschen sich von Gelderwerb als Glücksquelle ab- und anderen Themen zuwenden. In den nachfolgenden Kapiteln untersucht er, wie einzelnen gesellschaftliche Akteure, angefangen beim Individuum bis hin zu Organisationen aller Art und zum Gemeinwesen (Gemeinde, Land, Staat…) dazu beitragen können, dass die vorher definierten Ressourcen optimal entwickelt und genutzt werden können.
Dankenswerterweise setzt sich der Autor auch damit auseinander, was es bedeutet, wenn einzelne Ressourcen „überentwickelt“ werden: Wer nur an den Genuss denkt, wird kaum aus Solidarität aus irgendwas verzichten, wer nur die Solidarität im Auge hat, wird wahrscheinlich schnell einem Burnout zum Opfer fallen und so weiter. Auch andere kritische Aspekte werden diskutiert, beispielsweise die der „positiven Psychologie“ häufig unterstellte fehlende Wissenschaftlichkeit oder das Problem, wer eigentlich bestimmt, wie viel Glück ausreicht und wie das überhaupt zu messen ist etc. Eine umfangreiche Literaturliste ietet Anregungen zum Weiterlesen. Leider ist das Buch im gegensatz zur ersten Publikation in einem zum Teil extrem hölzernen Wissenschafts-Jargon geschrieben, die an sich hochinteressanten Inhalte werden dadurch schwer verdaulich. Das ist schade. Wem ein Übermaß an -ung-, heit-, keit und Schachtelsätzen nichts ausmacht, wird das Buch trotzdem mit Gewinn lesen.

Bibliographie:
Uwe Schneidewind, Angelika Zahrnt: Damit gutes Leben einfacher wird. Perspektiven einer Suffizienzpolitik. Broschiert, 171 Seiten, oekom-Verlag, München, 2013. ISBN 9-783865-814418, 12,95 Euro.
Marcel Hunecke: Psychologie der Nachhaltigkeit. Psychische Ressourcen für postwachstumsgesellschaften. Broschiert, 121 Seiten, oekom-Verlag München 2013. ISBN 9-783865-814524, 19,95 Euro.

Rezension: Was wird in 40 Jahren?

Was in 40 Jahren sein wird, möchte sicher so mancher gerne wissen und tot so mancher auch prognostizieren.Einer von ihnen ist Jorgen Randers, eomer der Mitautoren der „Grenzen des Wachstums“, erschienen 1972. Jorgen Randers hat sich die inzwischen mehrfach (1993 und 2004) aktualisierten und erstaunlich realistischen Weltmodelle der damaligen Prognosen vorgenommen und weitergerechnet – bis zum Jahr 2052. Das Buch beschreibt die Ergebnisse seiner Kalkulationen und seine Interpretation dazu. Interessant ist, dass Randers zu vielen Themen externe Experten gebeten hat, die ihrerseits Einschätzungen und Prognosen liefern, zu denen Randers wiederum Stellung nimmt.
Die Welt, die er für 2052 für uns skizziert, ist noch nicht kollabiert, befindet sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Weg zum selbstverstärkenden Klimakollaps in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Die meisten Menschen leben in Städten, hungern nicht und werden noch älter als heute, müssen aber auch länger arbeiten. Die Weltbevölkerung ist endlich auf Schrumpfkurs eingebogen. Die natürlichen Ressourcen sind noch stärker übernutzt als heute, das Meer 30 cm angestiegen. Der Konsum hat in manchen Gegenden stark zugenommen (China, neue Industrieländer, Brasilien, Indien…), anderswo abgenommen (USA/Europa) oder ist erst gar nicht auf die Beine gekommen (nichtindustrialisierte Länder). Armut gibt es immernoch. Nachhaltigkeit ist nicht erreicht, das heißt, es wird mehr Kohlendioxid ausgestoßen als die Atmosphäre verkraftet und mehr verbraucht als nachwächst.
Es gibt Prognosen für einzelne Weltgegenden, die teilweise recht detailliert ausfallen. Runter geht es laut Randers für Teile der globalen Eliten von heute, kaum rauf geht es für viele Einwohner von Staaten, die noch nicht auf dem Weg zur Industrialisierung sind. Europa kommt ganz gut weg, aber mehr Geld gibt es nicht. Das wird von Infrastrukturmaßnahmen aufgefressen. Großer Verlierer sind außerdem die USA. Was ganz schlecht davonkommt, ist die Demokratie mit ihren langen, auf Mehrheiten angewiesenen Entscheidungswegen. Der Autor glaubt deswegen, dass autokratische Regime wie China am Ende bessere Chancen haben, mit dem Klimawandel fertig zu werden. Dort erfordert nicht jedes Windrad jahrelange Diskussionen mit der NIMBY-Fraktion. Das mag so sein, dennoch möchte ich weder auf Demokratie noch auf Nachhaltigkeit verzichten und hoffe immer noch darauf, dass die Menschheit vielleicht irgendwie ihre Vernunft benutzt, um den Karren zu wenden, bevor er richtig im Dreck steckt, und zwar in großer Zahl und demokratisch. Insofern kann man Randers vor allem als einen Aufruf lesen, das, was er prognostiziert wenn irgend möglich zu verhindern – demokratisch, bitte!

Bibliographie: Jorgen Randers: 2052. Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre. Gebunden, 430 Seiten, s/w-Grafiken. Oekom-Verlag, München 2013 (2. Auflage 2013), 24,95 €, ISBN 9-783865-813985