Ein neues Buch aus dem Dietz-Verlag, „Der Mensch-lima-Komplex“, ist geeignet, manche Hoffnungen und Illusionen hinsichtlich des Klimaschutzes, aber auch hinsichtlich unserer Vorstellungen von Wetter und Klima, zu erschüttern. Ich musste mich ein paar Mal schütteln, als ich es gelesen habe, aber die Gedanken darin haben einiges für sich, zumal der Autor kein Klimawandelleugner ist, im Gegenteil. Er war bis 2015 Leiter des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht.
Von Storchs Buch liefert zunächst Grundlagenwissen zu den Begriffen Wetter und Klima, um dieses Wissen dann auf die Diskussion über den Klimawandel anzuwenden. Dabei bezieht er sich häufig auf die Forschungen von Nobelpreisträger Klaus Hasselmann.
Der hat seinen Nobelpreis bekommen, weil er eine Formel dafür entwickelt hat, wie man hinsichtlich Wetterkapriolen den menschengemachten Anteil vom statistischen Rauschen der Wetterbedingungen trennt – der Anfang der inzwischen zum Star aufgestiegenen Zurechnungsforschung.
Außerdem diskutiert von Storch, wie Wissen zustande kommt, insbesondere in der Klimaforschung. Und stellt fest, dass es dort durchaus nicht anerkannte Konzepte gibt. Zum Beispiel die sogenannten Kippunkte, die einem in jedem zweiten Artikel um die Ohren gehauen werden. Sie wurden nicht in die wissenschaftliche Konsensfassung aufgenommen, weil es für die Theorie, so anschaulich-schauerlich sie auch sein mag, keine ausreichenden Belege gibt.
Zur Erinnerung: Die Theorie von den Kipppunkten besagt, dass beim Überschreiten bestimmter Schwellen unwiderrufliche Änderungsdynamiken losgetreten werden, die zum Untergang oder jedenfalls zur schwersten Beeinträchtigung der menschlichen Zivilisation führen werden. Das kann man glauben, muss es aber nicht – jedenfalls heute nicht. Das bedeutet nicht, dass Klimaschutz unnötig wäre, aber es nimmt etwas Hysterie aus der Debatte.
Weiter macht von Storch klar, dass wir, um es mal ganz deutlich zu sagen, uns das 2-Grad-Ziel global betrachtet in die Haare schmieren können, weil buchstäblich niemand genug tut, und weil man dies von den sich entwickelnden Ökonomien im Süden auch gar nicht erwarten könne, jedenfalls nicht über irgendwelche Verzichtlogiken.
Daraus folgt, so Storch, dass alle, uns auch unsere Gesellschaft insgesamt sehr viel mehr für Klimafolgenvermeidung tun muss, statt ausschließlich auf Klimaschutz zu setzen. Das mache, so der Autor, Klimaschutz mitnichten unnötig, beides sei unverzichtbar, wie er immer wieder betont. Da man aber vorhersehbarerweise die gesetzten Klimaziele nicht erreichen werde, sei es schlicht fahrlässig, nicht mehr Vorbeugung zu betreiben. Nichts anderes, so Storch, trieben ja die kontinentaleuropäischen Nordseeanrainer schon seit Jahren.
Schließlich sagt von Storch, dass des Westens Beiträge zu Klimaschutz und Klimafolgenschutz beispielsweise darin bestehen könnten, Reis zu züchten, der weniger Methan ausgast (Methan aus Reisfeldern ist der wichtigste Emittent dieses höchst klimawirksamen Gases) oder andere technologische Errungenschaften zu entwickeln, die dann günstig in den Süden exportiert werden könnten, weil man sie tatsächlich attraktiv findet – wenn sie bei uns im Einsatz ihre Tauglichkeit bewiesen haben.
Sprich: Mehr Technologie und weniger Verzicht. Aber auch Verzicht darauf, den Aufbau und das Ausprobieren neuer Umwelttechnologien immer wieder durch Gerichtsklagen nach dem Motto „Not in my backyard“ zu verhindern. Das könnte auf Dauer etwas bringen. Die Einhaltung des 2-Grad-Zieles allerdings wohl kaum.
Bibliographie
Von Storch, Hans: Der Mensch-Klima-Komplex. Was wissen wir? Was können wir tun? Zwischen Dekarbonisierung, Innovation und Anpassung. Broschiert, zahlreiche s/w und farbige Abbildungen, 192 Seiten. Dietz-Verlag, Bonn, 2023. ISBN 978-3-8012-0659-8, 19,90 €