Klimawandel: Warum wir uns nicht einig werden

Die Konferenzen kommen und gehen, der Klimawandel bleibt bestehen. Zwar gibt es hier und da Fortschritte, doch insgesamt steigt der CO2-Ausstoß weiter genau wie Temperaturen und Meeresspiegel – freilich alles so langsam, dass es dem Einzelnen nicht ausreichend auffällt, um zu sofortigen Aktionen zu motivieren. Warum funktioniert beim Klimawandel nicht, was beim Ozonloch so großartig klappte – eine gemeinsame Aktion, die das Problem mittelfristig sicher löst?
Die Trägheit des gesellschaftlichen Systems gegenüber der Herausforderung Klimawandel, so die These des Autors Mike Hulme („Streitfall Klimawandel, Warum es für die größte Herausforderung keine einfachen Lösungen gibt“) , ist nicht eine Frage fehlenden Wissens, sondern von Werten und Einstellungen auf allen Ebenen und in allen Bereichen aller Gesellschaften global. Denn Klimawandel ist anders als die Ozonlochproblematik ein umfassendes Phänomen, dessen Auswirkungen noch dazu erst spätere Generationen spüren werden.
Diese These unterfüttert Hulme, der jahrzehntelang in der Klimaforschung gearbeitet hat, mit einer brillianten Analyse. Anhand diverser Aspekte, die jeweils in einem Kapitel diskutiert werden – Glaube, Werte, ökonomische Idealvorstellungen, Risikoverhalten, -kommunikation und –wahrnehmung, Fortschrittsbegriff und politische Machtverhältnisse ¬ belegt er, dass jeder Mensch und jede Interessengruppe bis hin zu Staaten auf jedem dieser Felder so unterschiedliche Einstellungen haben kann und hat, dass auf den bloßen Fakt des Klimawandels vollkommen unterschiedliche Reaktionen erfolgen. Das Vertrackte dabei: Jede Reaktion ist jeweils sehr gut aus dem Weltbild der jeweils davon Überzeugten zu begründen, mithin aus der jeweiligen Sicht vollkommen richtig.
Kein Wunder, dass es da zu keiner Einigung kommen kann: Sozialisten haben nun einmal andere Vorstellungen als überzeugte Anhänger des Kapitalismus, Christen andere als Hindus oder Muslime, diktatorische Machthaber andere als Demokratien, die Bewohner andere als die von Inselstaaten und so weiter und so fort. Das Problem „Klimawandel“ mit einem Schlag, sozusagen mit der großen Fliegenklappe – heiße die nun Energiewende und Cleantech, Zertifikatehandel oder Konsumverzicht – lösen zu wollen, muss deswegen scheitern.
Doch was dann tun? Hulme gibt hier zwei Anregungen: zum einen das bewusste Arbeiten mit punktuellen, experimentellen, pluralistischen, „unbeholfenen“ und durchaus konkurrierenden oder überlappenden Lösungen, denn „große Würfe“ haben, das zeigte Kyoto, bei diesem Problem anscheinend wenig Chancen. Zum anderen schlägt er vor, Klimawandel eher als ein neues gesellschaftliches Paradigma denn als Problem zu betrachten. Dann können auf dem Hintergrund der Grundvorstellung von einer sich klimawandelnden Gesellschaft neue Ideen aller Art entwickelt werden. Das, so meint Hulme, würde den Gesellschaften der Welt die nötigen Spielräume für sinnvolles Handeln auf den unterschiedlichen Ebenen eröffnen, ohne dass dieses Handeln von den Mühlen des Meinungskampfes behindert oder verhindert wird.

Bibliographie: Mike Hulme: Streitfall Klimawandel. Warum es für die größte Herausforderung keine einfachen Lösungen gibt. 400 Seiten, gebunden, oekom verlag München, 2014
ISBN-13: 978-3-86581-459-3, 24,95 Euro.