Der Mai ist gekommen, der Friede leider nicht

Im Mai gibt es mal keine Rezensionen, sondern Reflektionen. Denn leider ist wegen des Ukraine-Krieges das Nachhaltigkeitsthema weit in den Hintergrund gerückt.
Statt dessen werden in dem geplagten Land massenweise verbaute Ressourcen zertrümmert – der perfekte Schritt zu mehr Entropie. Wer soll das eigentlich mit was alles wieder aufbauen, wenn schon der Sand für den Beton knapp wird? Oder soll die Ukraine zum Testlabor für Baurecycling werden?
Da der Umstieg auf Erneuerbare bei uns dank nimmermüden Industrie-Lobbyismus und einer willfährigen Regierung um ganze zehn Jahre nach hinten geschoben wurde, stehen wir jetzt vor dem Dilemma, schneller umrüsten zu müssen, es aber nicht zu können. Denn gerade jetzt sind die Handwerker nicht mehr da (die sich nach dem Abschmelzen der EE-Vergütungen nicht mehr motiviert sahen, diesen Geschäft zu forcieren), die Rohstoffe fehlen (da sie vorwiegend in Russland und Fernost produziert werden), in der PV stehen die Produktionskapazitäten vor allem in Fenost (da sie bei uns in den 2010er Jahren dank politisch gewollter Solarkrise abgebaut wurden) und die Bau- und Genehmigungsgesetze wurden viel zu spät der Dringlichkeit des Ausbaus angepasst (da sie ja ansonsten tatsächlich einen schnellen Umbau ermöglicht hätten).
Zu allem Überfluss fehlen nach wie vor Recycling-Technologien für die meisten seltenen Erden. Doch diese Stoffe sind noch immer unentbehrlich, um beispielsweise starke Elektromotoren zu bauen.
Außerdem deutet sich jetzt an, dass wir zwar weiter dringend viel Fleisch essen wollen, die Anbauflächen aber nun wirklich für Getreide für den menschlichen Verzehr brauchen, weil die Ukraine ausfällt. Leider können wir die Flächen aber nicht so schnell aktivieren, denn der Naturschutz steht im Wege. Den Naturschutz brauchen wir aber blöderweise, weil uns sonst die Insekten sterben und die Artenvielfalt und damit am Ende die Nahrungskette (die vor allem zu uns führt) komplett zusammenbricht. Gleichzeitig degradieren die Böden weltweit.
Auch der angestrebte Umstieg von Menschen und Transporten auf die umweltfreundlichere Bahn kann erst wirklich bewerkstelligt werden, war heute morgen im Online-Spiegel zu erfahren, wenn das deutsche Kern-Bahnnetz, sprich die ICE-Strecken, kernsaniert wurde. Das werde, so hieß es, mit Streckensperrungen, Zugausfällen, weiten Umleitungen etc. gepflastert sein. Man kann sich vorstellen, dass dann viele, die bislang die Bahn benutzt haben, aus blanker Not auf Flug, Auto oder Videokonferenz (hoffentlich!) umsteigen, bis das mehrjährige verkehrstechnische „Tal der Tränen“ (spiegel.de) durchschritten ist. Ob sie wieer zurückkommen, steht in den Sternen.
Derweil mahnt mal die WMO (World Meteorological Organization), mal das IPPCC, mal irgendjemand anders vor dem sich beschleunigenden Klimawandel. Sofortiges Handeln sei nun aber wirklich unabdingbar. Nur passieren tut außer der zigsten Verlautbarung bislang wenig. Lediglich die Preise für Energie steigen, diesmal ganz ohne Kohlendioxidabgabe. Weil das die Konsumgesellschaft auf anderen Sektoren einschränkt, da man Geld nun mal nur einmal ausgeben kann, fürchtet die Politik, das wirtschaftliche Getriebe können ins Stottern und die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht geraten, was wiederum alle anderen Erneuerungsvorhaben beeinträchtigen würde.
Der perfekte Sturm!
Mal gucken, wie es in diesem Gruselfilm weitergeht!
Ich nehme jedenfalls an, langweilig wird es in den nächsten Jahren bestimmt nicht. Dafür aber wahrscheinlich ungemütlich.

Gasmagnat Griechenland? (Rezension)

Im Moment haben Analysen der Wirtschaftskrise und Kochbücher zu ihrer Bewältigung Konjunktur, und so wundert es nicht, dass auch Droemer hierzu beiträgt. Nämlich ein Buch, bei dem es darum geht, wie Europa aus der Krise kommen könnte. Die interessanteste Information dabei: Griechenland und Zypern sitzen auf gigantischen Gasreserven. Der Autor glaubt und belegt, allerdings hauptsächlich durch Berufung auf persönliche Gespräche, dass die USA im Moment den ganzen Nahen Osten inklusive Griechenland und Zypern gezielt destabilisieren, um sich die dortselbst lagernden Ölreserven billig und mit viel Gewinn anzueignen – damit sie anschließend die Europäer, in deren Gewässern sie gefunden wurden, teuer wieder von den US-amerikanischen Öldrillern zurückkaufen müssen. Nun sit diese Idee sicher angesichts der Ereignisse in Iran, Irak etc nicht vollkommen abwegig – aber angesichts der Ergebnisse dieser Strategie, so sie denn eine ist, sollte man annehmen, dass die Weltmacht langsam sieht, dass sie mit dieser Verfahrensweise auch nicht wirklich weiterkommt. Für seine These führt der Autor Dirk Müller, der im Buch immer mal wieder für seine kostenpflichtige Finanz-Informationsplattform wirbt, an, dass viel des politischen Personals Griechenlands aus denselben amerikanischen Hochschulen und damit demselben neoliberalen Geist entstammt und sich wahrscheinlich schon zu Studienzeiten kannte. Im Volksmund nennt man so was Cliquenwirtschaft. Ob tatsächlich der einzige griechische Präsident, der das griechische Gas angeblich in europäische Hände bringen wollte, fast einem US-geheimdienstlich inszenierten Mordkomplott zum Opfer gefallen wäre und nur deshalb zurücktrat, wie Müller behauptet, kann Leser/Leserin schlicht nicht beurteilen, da andere Quellen zum Gegenchecken fehlen.
Im Endeffekt lautet der Schluss des Autors: Europa gehe auch ohne den Euro, das heißt, Länder mit erheblichen Schulden sollten derzeit austreten oder eine Parallelwährung einrichten können. Wir müssten sogar viel stärker zusammenhalten, um endlich ein Gegengewicht gegen die übrigen Mächte zu bilden. Der Euro funktioniere nur mit einer politisch-wirtschaftlichen Union, in der es wie in allen großflächigen Unionen einen Finanzausgleich zwischen Arm und Reich geben müsse, damit die Sache gut läuft, weil es nun mal schwer vorstellbar sei, dass Griechenland oder Spanien dieselbe Produktivität und denselben Industriealisierungsgrad erreichen wie Deutschland. Als Hebel, letztlich zu einem einigen Europa zu kommen, sieht Müller eine europaweite Energiewende. Hier fragt sich allerdings, warum er zuerst so vehement auf die Gaserserven verweist, denn wenn Europa wegen Erneuerbarer autark werden würde, dann müsste man die zum Wohle des ganzen Planeten hoffentlich gar nicht anfassen – immerhin ist auch Erdgas eine Kohlendioxidquelle.
Dies ist also wieder ein Buch, das das Thema gegen den Strich bürstet und Denkanstöße liefert – wobei ich selbst mir ein Europa ohne Euro nicht mehr vorstellen mag und auch glaube, dass die Kosten eines Austritts dessen Nutzen überwiegen würden. Zur Sprache muss man sagen, dass sich die Lektoren hier an einigen Stellen durchaus mehr Mühe hätten geben können, flapsige Umgangssprache durch einen sachlicheren Ton zu ersetzen.

Bibilographie: Dirk Müller, Showdown, Der Kampf um Europa und unser Geld. Droemer, München, 2013. Gebunden, 272 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-426-27605-1