Was Globalisierung im negativen Sinn bedeutet, lässt sich derzeit am Gesundheitswesen trefflich studieren: Die Erzeugung von Medikamentenrohstoffen wird aus Opportunitätsgründen (mehr Kohle für die Produzenten, geringere Kosten für Patienten) in Niedriglohnländer ausgelagert. Vorratshaltung ist verpönt, das Lager der Just-in-Time-Gesellschaft befindet sich auf der Straße, der Schiene oder dem Ozean. Und bei Reisebeschränkungen eben nirgendwo.

Die Just-in-Time-Mentalität sorgt zusammen mit Hygienie-Hysterie auch bei denen, die Desinfektionsmittel gar nicht brauchen (das fürs Seuchenmanagement mit zuständige Robert-Koch-Institut weist darauf ausdrücklich hin) dafür, dass sogar simples Hände-Desinfektionsmittel nicht mehr erhältlich ist.

Wie überhaupt eine Region, die einigermaßen bei Trost ist, die Grundstoffe für lebenswichtige Medikamente ausschließlich im weit entfernten Ausland produzieren lassen kann, ist mir schleierhaft. Man kann doch nicht allen Ernstes ein dauerhaft und unaufhörlich reibungsloses Funktionieren von überaus komplizierten Transport-, Produktions- und Lieferketten als selbstverständlich voraussetzen und zudem keinen einzigen Fallback einbauen… Hier wartet ein dringliches Betätigungsfeld auf unsere jetzigen und künftigen Gesundheitsministerien. Viel Spaß bei der Durchsetzung gegen die diversen Lobbys.

Während sich die einen wegen der Streichung von Automobilsalons, Eisenwarenmessen, internationalen Buchmesse, Tagungen, Kongressen und Sportveranstaltungen die Haare raufen (ja, nun wird auch der Ausfall der Olympischen Spiele diskutiert!) machen manche mit Atemschutzmasken glänzende Geschäfte.

Der entsprechende Großkotz, Verzeihung, ich meine natürlich Großkaufmann, kommt gar nicht auf den Gedanken, dass es vielleicht im Sinne des Allgemeinwohls besser gewesen wäre, den eilends und noch superbillig aufgekauften Bestand den Behörden zu melden, mit dem Angebot, sie an diejenigen abzugeben, die sie am meisten brauchen. Zum Beispiel die, die in Krankenhäusern dafür sorgen, dass die schweren Fälle hoffentlich irgendwann geheilt nach Hause kommen. Aber so ein Gedanke liegt dem cleveren Kaufmann, von dem hier die Rede ist, anscheinend ferne. Statt dessen faselt er von Kapitalbildung und seinen großartigen kapitalistischen Instinkten.

In Frankreich werden übrigens inzwischen die noch vorhandenen Atemschutzmasken schlicht beschlagnahmt, um sie den Leuten im Medizinbetrieb zu geben, die sie ja wirklich dringend brauchen. Richtig so.

Der Covid-19-Erreger dagegen hat es leicht, reist er doch überall ganz einfach mit, zum Beispiel auf Kreuzfahrtschiffen. Das führt dann im Zweifel zur Insolvenz. Siehe auch hier, mit Bezug zu Chinatourismus. Tourismus ist eben nur dann schön, wenn überall (und nicht nur im Zielland) ständig auch im übertrageneen Sinne die Sonne scheint. Die Zielländer sollten sich wohl besser andere wirtschaftliche Überlebensmodelle ausdenken als bleichen Touristen die Getränke an die Strandliege zu schleppen. Und die Touristen ihre Langeweile anders betäuben. Umwelt und Klima danken!

Was mir auffällt, ist, dass es ruhiger ist als gewöhnlich – schon rein akustisch, vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber es kommt mir vor, als wäre das übliche hektische Treiben etwas abgebremst.

Sehr gespannt darf man – neben den weiteren zu erwartenden Absagen, beispielsweise der Hannover Messe Industrie (die Leipziger Buchmesse cancelte gestern) – auch darauf sein, wie die Kohlendioxid-Bilanz des Jahres 2020 aussehen wird. Denn wenn nix fliegt, fährt, reist, transportiert, kurz: um den Globus hektikt, dann, ja dann dürfte wohl auch der Kohlendioxid-Ausstoß sinken. Und zwar mehr als wir für möglich halten. Dann hätte sich, sozusagen und natürlich etwas zynisch formuliert, die Natur mal wieder selbst geholfen, auf Kosten unseres derzeitigen Lebensstils. Für diesmal, aber natürlich nicht für immer. Denn damit, dass irgendjemand aus den zu erwartenden Resultaten dieses Jahres den ernsthaften Schluss ziehen würde, etwas langsamer, etwas weniger aufwändig ginge es in den Industrie- und Schwellenländern auch, wenn wir den Globus erhalten wollen, ist natürlich nicht zu rechnen.

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