Rechte Gefühle, grünes Geld und Sand

Liebe Leser*Innen des Blogs anderewirtschaft, inzwischen ist es Oktober und eine neue Bundesregierung ist dabei sich zu formieren. Wird sie dafür sorgen, dass das Wirtschaften endlich durchgängig grün genug für das 1,5-Grad-Ziel wird? Die Flutkatastrophe im Ahrtal, die Waldbrände an vielen Orten und Windhosen in Kiel zeigen, wie dringend es damit inzwischen ist.

Viele meinen ja, es wäre schon zu spät, man müsste also eigentlich gar nichts mehr tun. Denen stelle ich die Frage: Was tust Du, wenn Dir auf Deiner Fahrbahn mit hoher Geschwindigkeit ein Fahrzeug entgegenkommt? Nochmal ordentlich Gas geben, damit es auch richtig kracht? Oder versuchst Du auszuweichen oder zu bremsen, damit der Schaden so gering ausfällt wie möglich? Oder machst du einfach die Augen zu und denkst an was anderes? Ich hoffe, die meisten würden Reaktionsweise 2 wählen. Und infolgedessen auch dann etwas gegen den Klimawandel tun, wenn sie selbst davon nur in Maßen noch profitieren. Hoffen wir, dass sich die nun entstehende Koalition dazu aufrafft, und hoffen wir, dass sie den Anstand und die Voraussicht besitzt, die Lasten dieser Veränderung nicht nur den Armen aufzubürden.

Die AFD hat sich ja nun leider verfestigt. Das legte es mir nahe, das folgende Werk mal näher anzusehen: „Rechte Gefühle“ analysiert dickleibig, manchmal sehr in Soziologendeutsch, aber nie lang- sondern meist kurzweilig (wenn einen Soziologendeutsch nicht stört), was eigentlich inhaltlich hinter Rechts steckt.

Die hervorragend belegte These des Autors Simon Strick: Aufgebläht durch multimediale Möglichkeiten (Social Media, Internet) mit ungeahnter Zielgruppenexpansion, können auch höchst schräge Wahnwelten schnell weltweit Anhänger*Innen finden. Das hervorstechende Merkmal rechter Wahnwelten ist dabei eigentlich, dass sie zur fundierten Theoriebildung gar nicht erst vordringen, sondern sich in der Erzeugung von Affekten erschöpfen. Insbesondere in dem, irgendwie benachteiligt zu sein, weil früher selbstverständliche Privilegien angetastet werden – zum Beispiel durch Gendern, Klimaschutz, Antirassismus und Flüchtlinge.

Wer ein ungerechtfertigtes Privileg einbüße, sei aber nicht benachteiligt, auch wenn sich das Scheiße anfühlt. Pech gehabt ist nämlich nicht dasselbe wie strukturell benachteiligt. Nicht benachteiligt ist nach dieser Diktion etwa die deutsche Arbeitskraft, die ihren Job zugunsten eines genauso gut qualifizierten Menschen anderer Hautfarbe einbüßt, der oder die zufällig auch hier lebt, nicht benachteiligt ist der männliche Vorstand, dessen Sitz in der nächsten Periode von einer „Quotenfrau“ eingenommen wird. Und nicht benachteiligt ist auch die deutsche Hartz-4-Empfängerin, die mit einer mittellosen Flüchtlingsfamilie aus Irgendwo um eine Wohnung konkurriert und den Kürzeren zieht. Vielmehr sind übergreifende Ansätze gefragt, um das Problem an sich zu beheben. Zum Beispiel sozialer Wohnungsbau, wenn es an bezahlbarem Wohnraum fehlt, oder der Abschied von der flächenfressenden Eigenheim-im-Grünen-Ideologie zugunsten verdichteter Wohnformen, in denen mehr Leute unterkommen. Denn letztlich gelten Menschenrechte für alle gleich. Das sehen die Betroffenen oft anders, und daraus speist sich laut Simon Strick viel von den Ressentiments, die Rechte auf die Straße treiben.

Außerdem leben Rechte davon, selbst ausgedachte und durchgeführte Ereignisse medial aufzublähen und darüber Bericht zu erstatten, meint Strick. Er belegt diese Thesen durchaus amüsant, manchmal aber auch zum Schaudern ernst an rund 30 reichlich bebilderten Beispielen aus dem Internet: Memes, Kampagnen, Verarbeitungen von Ereignissen, etwa an dem Meme Pepe the Frog oder den Protesten gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in den USA und ihre mediale Rezeption durch rechte Internet-Portale und -Medien. Aus Deutschland haben es die von Querdenkern inspirierten Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in diese Hitliste geschafft. An ihnen zeigt der Autor auch, wie die Grenzen zwischen Ultrarechts und bürgerlicher Mitte beginnen zu verschwimmen. Vor allem aber zeigt Strick hier: Rechtes Denken und Fühlen ist nicht irgendwo anders, sondern mitten unter und sehr oft wohl auch in uns.

Das zweite Buch, mit dem ich mich auseinandergesetzt habe, befasst sich mit etwas sehr Alltäglichem: Mit Sand. Nur dass Sand längts zum knappen Gut und dadurch zum Politikum geworden ist. Denn der gelbliche Rieselstoff ist in den Qualitäten, wie sie zum Beispiel für Beton oder gewisse hochtechnologische Zwecke benötigt werden, längst nicht mehr ausreichend vorhanden. Vielmehr balgt man sich bereits um die Sandschicht auf den letzten noch einigermaßen intakten Küstenstreifen, wenn nur die Sandqualität passt. Um den globalen Bauboom in Gang zu halten, schreckt die Sand-Mafia auch nicht vor Mord, Totschlag, Erpressung und Kinderarbeit zurück.

Wer wissen möchte, warum Sandstrände absolut nicht selbstverständlich sind und Betongebäude eigentlich ein Luxus, sollte dieses Buch lesen. Gruseln angesichts der Perspektiven einer Welt ohne ausreichend Sand in den gewünschten Qualitäten inklusive.

Schließlich noch zu einem kleinen, schnell gelesenen Band zum Thema „Grünes Geld“: Wie vermehrt man sein Geld, was bedeutet Inflation, welche Varianten der grünen Geldanlage gibt es? Die Autorin ist Finanzberaterin, und wenn sie etwas gut macht, dann, die Grundlagen der Geldanlage zu erklären. Das Beste daran ist, wie deutlich sie macht, dass es beim langfristigen Anlageerfolg ganz besonders dringend darauf ankommt, das eigene Sicherheitsbedürfnis und die eigenen Ziele zu bestimmen. Denn sonst stimmt entweder die Rendite oder das Risiko nicht.

Was man hier nicht erwarten darf, ist Kritik etwa an nur leicht angegrünten Nachhaltigkeitsfonds oder konkrete Anlagetipps, etwa in Form einzelner Fonds oder ETFs. Diese gibt es in der letzten Zeit durchaus – so stecken in nach dem Best-in-Class-Prinzip konfigurierten Anlagen auch Firmen, die niemand ernsthaft als umweltfreundlich bezeichnen kann, nur weil sie es etwas besser machen als ihre Konkurrenten. Gut ist es, dass die Autorin vor scheinbar supergrünen Anlagen vom grauen Kapitalmarkt warnt, die zwar supergrün sind (zum Beispiel Investments in irgendwelche Solar-/Wind-/sonstige Anlagen oder auch Baumplantagen in Irgendwo), aber superriskant. Ich habe hier selbst leidvolle und äußerst teure Erfahrungen gemacht und kann nur davor warnen, solchen Sirenengesängen zu glauben.

Wer Grundlegendes zur (grünen) Geldanlage erfahren möchte, erhält hier also eine brauchbare, kurz gefasste und gut lesbare Einführung. Wer entweder ganz konkrete Tipps für die Anlageentscheidung möchte oder aber eine grundlegende Reflexion des wachstumsgetriebenen Wirtschaftsmodells sucht, ist hier falsch.

Bibliographie

Strick, Simon: Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschismus. Broschiert, 475 Seiten, zahlreiche Abbildungen in Schwarz-Weiß, Transcript-Verlag Bielefeld X-Texte 2021. ISBN 978-3-8376-5495-0,… Euro.

Beiser, Vince: Sand. Wie uns eine wertvolle Ressource durch die Finger rinnt. Gebunden, 315 Seiten. Oekom-Verlag München 2021. ISBN: 9-783962382452, 26 Euro.     

Brockerhoff, Jennifer: Grüne Finanzen. Von Altersvorsorge bis Geldanlage – der Ratgeber für Einsteiger*innen. 159 Seiten, broschiert, einige farbige Grafiken. Oekom-Verlag, München, 2021. ISBN 9-783962.382810, 16 Euro.