Anders wirtschaften – aber wie?

Wenn es darum geht, Lesefutter zum Thema „Anderes Wirtschften“ zu finden, hat man es im Moment einfach. Kaum sieht es aus als würde das globale Klima endgültig kippen, wird anscheinend auf vielen Schreibtischen fieberhaft an Gegenrezepten gedacht. Und von Verlagen Entsprechendes herausgegeben.

Im Folgenden geht es um zwei Beispiele aus dem Westendverlag. Der Autor Peter H. Grassmann, in seinem früheren Leben als Manager spezialisiert auf mondernste medizintechnische Geräte, war führend sowohl bei Siemens als auch bei Carl Zeiss tätig. Inzwischen ist er Autor und schreibt darüber, wie man die Wirtschaft regulieren sollte und warum das bisher nicht erfolgt ist (Lobbyismus, Gier, Politikversagen).

Er denkt auch über wichtige Trends der Gegenwart nach wie das Hin und Her zwischen Protektionismus und Freihandel, zwischen Nationalismus und überstaatlichen Zusammenhängen, zwischen Freiheit und Regulierung und würzt seine Betrachtungen mit Beispielen und Insider-Einsichten aus seinem Erleben als mächtiger Manager.

Zur Behebung der Misere einer machtlosen Politik, die sich von Unternehmen an der Nase herumführen und an der kurzen Leine hinterherzerren lässt (Arbeitsplätze!!!), empfiehlt er zum einen stärkere Regulierung und stärkere Institutionen bis hin zu einer Expertokratie wie er sie in China vermutet. Die Stellen über China irritieren. Anscheinend war Grassmann so fasziniert von der Gelegenheit, mit hochrangigen Chinesen gleichgestellt diskutieren zu dürfen, dass er dabei ganz vergessen hat, dass dieses Land derzeit ganz schlicht eine Diktatur ist, deren Führer sich vor noch nicht allzu langer Zeit hat auf ewig inaugurieren lassen, die den freien Meinungsaustausch verhindert und missliebige Elemente reihenweise einsperren lässt.

Das andere Lösungselement vermutet Grassmann in mehr Mitbestimmung des Volkes, sprich: mehr bindende Volksabstimmungen auf den unterschiedlichen Ebenen des demokratischen Staatswesens, unter anderem, um es schneller reaktionsfähig zu machen. Zudem möchte Grassmann auch das Wahlrecht ändern, damit mehr Fachkundige aller möglichen Bereiche und Nichtjuristen in die Parlamente geraten. Den Wahlkreisabgeordneten will er gar ganz abschaffen – damit bekomme die regionale Ebene zu viel Einfluss. Damit reiht er sich ein in die Reihe derer ein, die daran zweifeln, ob die repräsentative Demokratie in ihrer heutigen Form in der Lage ist, mit der Komplexität und Geschwindigkeit diverser gesellschaftlicher und technologischer Entwicklungen mitzuhalten.

Zur Regulierung der Wirtschaft empfiehlt Grassmann staatlich überwachte und regulierte Zertifikate und Label, und zwar nicht wie heute Tausende, die kaum noch jemand versteht, sondern einige wenige, die dann aber klare und staatlich überwachte Kriterien haben. Dazu sollen eine erneuerte Branchenethik, verpflichtende Fairtrade-Regeln, eine Kohlendioxid-Steuer, globale Mindestlöhne und einiges mehr treten. Ein interessanter Vorschlag ist ein reformiertes Erbrecht, das das Vererben von Firmen nur noch an qualifizierte Nachfolger aus der eigenen Familie gestattet, die das Unternehmen tatsächlich erfolgreich weiterführen wollen. Dadurch soll sich die Vermögensverteilung gleichmäßiger gestalten.

Während die einzelnen Kapitel anfangs stringent aufeinander aufbauen, wird das Buch im letzten Drittel streckenweise wirr. Das Durchregieren-Können des Wirtschaftsmanns scheint durch, so als könne man ein über Jahrzehnte gewachsenes System politischer Beziehungen im Hau-Ruck-Verfahren reformieren. Grassmann hätte besser daran getan, sich auf Vorschläge zur besseren Regulierung der Wirtschaft zu beschränken, statt eine allgemeine Demokratiekritik samt Bildungs- und Verfassungsreform anzugehen. Eine Nummer kleiner wäre hier mehr gewesen.

Aus einer anderen Ecke kommt Heike Holdinghausen: Die taz-Redakteurin befasst sich in ihrem Beruf schon seit Jahren mit dem umweltrelevanten Thema Rohstoffpolitik. Ihr Buch hat den ambitionierten Untertitel „Was jetzt für eine zweite ökologische Wende zu tun ist“. Holdinghausen analysiert in vier großen Abschnitten (Klimawandel/Artensterben, Energie, Mobilität, Agrar), wo die deutsche Umweltpolitik festhängt und warum es ihr nicht gelingt, ihre verpflichtenden Ziele halbwegs zu erreichen.

Im ersten Abschnitt werden auf rund 40 Seiten noch einmal die besorgniserregenden Befunde von Biologie und Klimaforschung aufgeführt. Holdinghaus beschreibt hier auch verschiedene technokratische Lösungsansätze wie Geoengineering und Genbanken und warum sie sie für problematisch hält. Ein weiteres Kapitel des ersten Abschnitts befasst sich mit dem Einfluss des Finanzwesens auf das Umweltverhalten.

Die drei Folgeabschnitte analysieren jeweils in mehreren Kapiteln die Themen Energie, Mobilität und Agrar im Detail. Sie bringen dabei auch Beispiele, die die Autorin für vorbildlich hält. Auf Wirtschaft und Markt mag sie sich dabei nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht mehr so recht verlassen. Beispielhaft findet auch sie die Idee der Gemeinwohlökonomie. Das aktuelle politische Personal der Bundesrepublik begreift Holdinghausen nicht unbedingt als Hoffnungsschimmer. Sie setzt daher eher auf basisdemokratische Elemente einer- und Europa andererseits.

Das Buch ist gut geschrieben und liest sich flüssig. Die gedanklichen Linien werden konsequent zu Ende geführt. Wer sich in Umweltthemen auskennt, wird hier allerdings wenig Neues finden.

Bibliographie:

Peter H. Grassmann: Zähmt die Wirtschaft! Ohne bürgerlilche Einmischung werden wir die Gier nicht stoppen. Westend-Verlag, Frankfurt, 2019, broschiert, 255 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-86489-248-6

Heike Holdinghausen: Uns Stinkt`s. Was jetzt für eine zweite ökologische Wende zu tun ist. Westend-Verlag, Frankfurt, 2019. broschiert, 238 Seiten, 20 Euro. ISBN 9-783864 892394.