Von Bienen und Menschen

Heute mal was über Insekten. Es gibt nämlich kaum noch welche. In unserem Kleingarten hatten wir früher mindestens fünf Schmetterlingsarten, Libellen und eine Unmenge anderes Zeugs. Nun haben wir nur noch Fliegen, Wespen, Ameisen und Mücken sowie anderes Zeugs, das uns Löcher in die Haut beißt. Mit den Insekten sind auch viele Vögel schlicht verschwunden. Das hat mich bewogen, das Buch „Das große Insektensterben“ zu lesen. Ich wollte gern wissen, woran es liegt und ob ich selbst was tun kann.

Wie viele inzwischen nach wochenlanger Coverage in den Medien wissen, sind Insekten die Tierchen, die unter anderem dafür sorgen, dass an den Bäumen was wächst, indem sie den Samen von Pflanzen verbreiten beziehungsweise die Blüten bestäuben. Dabei machen den Löwenanteil der Arbeit wilde Spezies, nicht unsere Honigbiene, weshalb die vielen Bienenstöcke, die sich neuerdings in den Städten ausbreiten, zwar schön, aber kein Ersatz für die Insektenfauna draußen sind.

In China, wo es dank der großartigen, vorausschauenden Politik der damaligen Regierung schon seit einiger Zeit keine oder kaum noch Bienen aller Art gibt, übernehmen diese schöne Aufgabe Menschen. Das hat den Nachteil, dass diese Menschen eigentlich viel zu groß sind für die Blüten und zu klein sind für die Bäume, an denen die Insekten ja einfach hochfliegen, wenn sie Blüten weit oben erreichen wollen. Mit anderen Worten: Menschen sind, im Gegensatz zu ihren Insektiziden, leider gar nicht effizient. Zumindest nicht, wenn es darum geht, Blüten zu bestäuben.

Dass die Insekten sterben, liegt laut diesem Buch (und das stimmt überein mit allem anderen, was ich mittlerweile dazu gelesen habe), an unseren wunderbaren Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat und Nicotinamiden und auch noch an einer Reihe von anderen Gründen, zum Beispiel dem Wahn, eine keimfreie Golfwiese besitzen zu müssen, auf dem Acker jedwedes „Unkraut“ und jede Blühpflanze restlos auszurotten, alles, was irgendwie unordentlich aussieht, zu begradigen (der Mähroboter hat kein Programm für Insektenschutz) und in den Gärten Platten zu verlegen, weil das keine Arbeit macht. Was dagegen hilft, ist also Unordnung, nicht pflegen, das Gras hoch stehen lassen, inklusive Disteln, Brennesseln und Löwenzahn, Blütenpflanzen aussäen und so weiter. Und protestieren. Gegen Glyphosat und Co und gegen die konventionelle Landwirtschaft mit ihrer tödlichen Kombi aus Insektenvernichtungsmitteln und flächendeckender Zuvieldüngung. Wer Näheres wissen will, dem sei das reich bebilderte oben genannte Buch empfohlen.

Um den Bogen zu meinem anderen Blog über „Nachhaltige IT“ zu schlagen: Es mag zwar arbeitsmarktpolitisch reizvoll sein, sich vorzustellen, dass die Menschen, die durch Künstliche Intelligenz vielleicht in den nächsten Jahrzehnten arbeitslos werden, eine neue Karriere als Blütenbestäuber anstreben könnten. Allerdings wären die Aufstiegsmögllichkeiten in dem Job sehr beschränkt, es würde sich um sehr wahrscheinlich schlecht bezahlte Saisonarbeit handeln, und jedes Insekt kann es besser. Aber vielleicht erfindet ja dann jemand die winzige Flugdrohne, die im Frühjahr zu Tausendschaften ausschwärmt, wahrscheinlich als BaaS (Biene as a Service) ausgeliehen, und den Job erledigt. Die kostet dann viel Geld, das in die Taschen ihrer Erfinder fließt. Die Bestäuber haben das Nachsehen wie zuvor die Insekten und werden vor Bild(röhren) zwischengeparkt, wo sie den ganzen Tag dämliche Netflix-Serien sehen und Soilant Green essen dürfen, das dank der hohen Bewohnerdichte auf Erden als einziges Lebensmittel reichlich zur Verfügung steht.

Da lobe ich mir doch das gute, alte Fluginsekt, zumal es mir auch noch hilft, Arbeit im Garten zu sparen.

Bibliographie: Andreas H. Segerer / Eva Rosenkranz: Das große Insektensterben. Was es bedeutet und was wir jetzt tun müssen. Oekom-Verlag München 2017. 204 Seiten, broschiert, reich farbig bebildert. ISBN 9-783962-380496, 20 Euro.