Klimakonferenz – die Farce im Osten

Die aktuelle Klimakonferenz entwickelt sich immer mehr zur schrillen Tragikkomödie. So wird das Event, das angeblich den Klimaschutz voranbringen soll, von Energieriesen und Autofirmen gesponsort. Das ist, so wurde eine europäische Zeitung in der täglichen morgendlichen Presseschau vom Deutschlandfunk zitiert, als würde man die Tabakfirmen einen Kongress zu den schädlichen Folgen des Rauchens ausrichten lassen.

Außer Geschwafel und wachsweichen Beteuerungen ist von Seiten der Industrieländer wenig zu vernehmen, was die Sache voranbringen könnte. Vor allem zu irgendwelchen verbindlichen Schadenersatzzahlungen an die vom Klimawandel schwer betroffenen Weltgegenden will sich kaum jemand so recht verpflichten. Da hofft man wohl weiterhin lieber auf mildtätige Spenden aus dem Weihnachtsbudget der Bevölkerung… Ist ja irgendwie klar: Solche Zahlungen vertragen sich schlecht mit dem allgemein verbreiteten Wachstumswahn, so kann man sie, anders als Sturmreparaturen anderswo durch Unternehmen des eigenen Landes (wenn also etwa Hochtief oder Bilfinger und Berger Straßen auf den Philippinen bauen würden), doch nun wirklich nicht als Exporte kennzeichnen und somit wachstumswirksam machen.

Das Ganze zeitigt nun Folgen: Unter Protest haben zahlreiche NGOs die Konferenz verlassen, wie der SPIEGEL berichtet. Man kann es den Vertretern dieser Organisationen kaum verdenken. Erstens sind sie sowieso nur als Beobachter zugelassen, und zweitens gibt es auf dieser Konferenz augenscheinlich nichts zu beobachten, was einen weiteren Aufenthalt am Tagungsort lohnend machen würde. Derweil steigt das Meer munter weiter.

Beinahe niedlich, dass der Fotograf James Balog in seinem wirklich wunderbar aufrüttelnden Film (jedenfalls rüttelt der Film die auf, die überhaupt aufgerüttelt werden wollen) Chasing Ice die gewagte These verbreitet, die industrialisierte Menschheit habe ein Wahrnehmungsdefizit. Ich glaube, sie hat ein Defizit an Bereitschaft, für die Folgen ihres Tuns geradezustehen, mithin ein Defizit in intergenerationellem Denken und Voraussicht. Ein Film – so ihn denn jemand ansieht – wird daran nichts ändern. Im Münchner City-Kino läuft er beispielsweise immer wochentags um 16 Uhr, wenn die meisten Menschen arbeiten. Die, die nicht arbeiten, haben jedenfalls keine Lust, sich den Klimawandel einzuverleiben. Trotz fast ganzseitiger Lobeshymnen in der Süddeutschen Zeitung (Feuilleton) waren in der Vorstellung, die ich besuchte, höchstens zwei Handvoll Leute. Kurz: Die meisten denken wohl, dass sie längst tot sind, wenn es richtig unangenehm wird, und warum soll man sich dann überhaupt einen Kopp machen. Soll doch die eigene Brut für sich selbst sorgen! Nach uns die Sintflut, na denn prost!

Sport als Motor für Wachstumskritik

Die Situation ist paradox: Einerseits wird uns erzählt, Wachstum um nahezu jeden Preis sei die einzige Chance, die wir haben, „oben“ zu bleiben (was immer voraussetzt, dass wir bereitwillig in Kauf nehmen, dass der Rest „unten“, also zumindest unter uns, ist). Auf der anderen Seite sitzen nun wieder mal (diesmal in Polen) Politiker und Klimaforscher zusammen, um angeblich darüber zu beraten, wie man den Kohlendioxidausstoß nach unten bekommt, in Wirklichkeit aber wohl hauptsächlich ihre Pfründe hüten. Derweil zerbröselt ein Sturm in noch nie dagewesener Stärke die Philippinen.
In den drei abstimmenden Gemeinden/Regionen rund um München und der Stadt selbst haben viele Menschen die Zeichen der Zeit so weit verstanden, dass sie sich für einen Abschied vom Weiter-So entschieden haben. Auch wenn das vielleicht nicht für die Mehrheit das entscheidende Argument war, für viele hat es doch mitgespielt, das habe ich bei den sehr vielen Gesprächen beim Flugblatt-Verteilen für Nolympia gehört: Eine Großveranstaltung, die für Unmengen Geldes mit vorhersehbaren Kostenüberschreitungen wegen vierzehn Tagen ganze Infrastrukturen und Landschaften ummodelt, kann schon allein deshalb unter gar keinen Umständen nachhaltig und für die Bewohner dieser Regionen überwiegend nützlich sein – jedenfalls nicht in einer bereits komplett verbauten Landschaft, die aus Vernunft im Übrigen zukünftig vor allem auf Sommertourismus setzt, weil der Schnee fernbleibt. Sie kann höchstens nachhaltiger sein als ihre Vorläufer. Ganz zu schweigen von den zehntausenden durch die Vorbereitung und Durchführung generierten Fernflügen, die gibt es ja im übrigen Tourismus auch (was diesen klimatechnisch betrachtet nicht besser macht).
Meiner Meinung nach ist die Absage an die Winterolympiade viel grundsätzlicherer Natur als es nun die Verlierer glauben machen wollen. Es gibt nämlich immer mehr Menschen, die erkennen, dass das Streben nach immer mehr und immer größer nicht mit dem Gesamtkontext (den Klimawandel abfedern, mehr für arme Länder tun, um Migrationsströme zu bremsen, mehr Geld für Pflege und Bildung aufwenden, verfallende Infrastruktur) vereinbar ist. Denn anlässlich Olympia wird vor allem Olympia-Infrastruktur gebaut, also beispielsweise keine Kitas, Pflegeeinrichtungen oder neue Asphaltdecken für Straßen in den Münchner Wohnvierteln, die heute Loch an Loch haben – das ist oft nicht, was nötig wäre, auch wenn diesmal 1300 Wohnungen abgefallen wären. Die kann man auch so errichten!
Die Befürworter konnten vom Ausgang dieses Entscheides nur deshalb so überrascht werden, weil sie offensichtlich gar nicht mehr merken, wie weit sie sich von den Bedürfnissen, Sorgen, Gedanken und Problemen der gemeinen Bevölkerung schon entfernt haben. Die aufdringlichen Werbedurchsagen in der S-Bahn, die einseitige Positiv-Information in den Wahlbriefen, die versuchte einseitige Pro-Meinungsmache der Münchner Medien und das ganze selbstsichere Gehabe ohne eine Spur des Zweifels belegen das überdeutlich. Viele Bürger selbst sizen nämlich down, nicht up – ob nun freiwillig oder der Not gehorchend: Sie schaffen ihre Autos ab, steigen in Genossenschaften ein, kaufen gebrauchte Klamotten und tauschen und Fernflüge gegen Heimaturlaub. Insofern sollten die Verantwortlichen dieses Ereignis als wirklichen Weckruf begreifen. Der schläfrige deutsche Michel ist dabei, aufzuwachen.