Film: Der erfolgreichste Stuhl der Welt

Stühle sind selten ein Thema für Filme. Doch Monobloc (ab 27. Januar in den Kinos) ist genau das: ein Film in Spielfilmlänge über einen Stuhl, und zwar den erfolgreichsten der Welt. Er ist aus Plastik und aus einem Guss, schnell hergestellt, zu hohen Türmen stapelbar, in allerlei Formen und Farben möglich und konkurrenzlos billig. Jeder kennt ihn, nicht jeder liebt ihn.

Der Film zeigt die Entstehungsgeschichte des Stuhls, seine Nutzung auf der ganzen Welt, aber auch, wie unterschiedlich seine Einschätzung ist: Westliche Wohlstandsmenschen betrachten den Monobloc oft als wenig haltbares Plastikgerümpel ohne bleibenden Wert, am ehesten noch als unkompliziertes Gartenmöbel zu gebrauchen.

Anders sieht es im globalen Süden und überhaupt überall da aus, wo Geld eher knapp ist. Dort nämlich gilt der Monobloc wegen seiner geringen Kosten und seines im Verhältnis zu diesem Preis sehr ansprechenden Designs als das Möbel, das eine ganze Generation davon befreit hat, bei jeder Gelegenheit auf dem Boden sitzen zu müssen. Das ein bisschen Gemütlichkeit und Geselligkeit ohne Verrenkungen auch in bescheidenen Hütten, auf dem Bürgersteig oder einem öffentlichen Platz ermöglicht. Die Besitzer dieser Möbel sind genauso stolz auf sie wie ihre Hersteller. Für sie bedeutet der Monobloc ein Stück Menschenwürde. Weil andere Möbel schlicht zu teuer sind, aber niemand mehr auf Möbel verzichten möchte.

Auch das andere Ende der Produktionskette behandelt der Film: die Müllsammler, für die ein ausrangierte Monobloc eine Kostbarkeit ist – wegen der relativen Sortenreinheit und guten Rezyklierbarkeit des Materials. Und die Recyclingfabriken im globalen Süden, wo Monoblocs massenweise eingeschmolzehn und danach oft zum Grundmaterial für neue Monoblocs werden. Dort atmen die Mitarbeiter*innen oft ungeschützt giftige Gase und Plastik-Feinstaub ein, die beim Shreddern und Einschmelzen des Materials entstehen. Das dreckige Wasser, das bei der Reinigung des Plastiks anfällt, fließt häufig mehr oder weniger ungeklärt ab.

Kurz: „Monobloc“ von Grimme-Preisträger Hauke Wanner zeigt an einem sehr konkreten Beispiel, was Globalisierung bedeutet und wie unterschiedlich die Welten sind, die sie hervorbringt. Das alles in prächtigen Bildern und kein bisschen langweilig.

Damit verabschiede ich mich für die nächste Zeit. Spätestens im kommenden Sommer geht es hoffentlich weiter!

Im November und Dezember: Nachhaltigkeit allenthalben und ein Buch über Seltene Erden

Es ist, als wäre ein Knoten geplatzt: Während die Nachhaltigkeit der Informationstechnik über Jahrzehnte mehr oder weniger als Spinner-Thema betrachtet wurde für passionierte Müslis, scheint sich gerade eine komplette Kehrtwendung anzukündigen. Zumindest verbal.

Innerhalb von nur einer Woche habe ich jetzt an zwei Veranstaltungen teilgenommen, die sich explizit mit der Nachhaltigkeit von IT und ihren Anwendungen beschäftigten. Kaum ein Kongress findet statt, ohne dass sich mindestens eine Podiumsdiskussion mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt.

Und es kommen wahrhaft bahnbrechende Erkenntnisse zutage: So stellte das Borderstep-Institut, federführend beim Projekt CliDiTrans („Klimaschutzpotentiale der digitalen Transformation“) schlicht fest, was die meisten wahrscheinlich eh schon ahnten: Wer der Digitalisierung und der IT-Branche keine ökologischen Leitplanken vorgibt, kann auf nennenswerte Nachhaltigkeitseffekte digitaler Technologien lange warten. Die Wirksamkeiten digitaler Innovation für den Klimaschutz bewegen sich nämlich, übergreifend betrachtet, in sehr überschaubaren Bereichen. Beispielsweise bekommt man für ein Prozent mehr ITK-Invest 0,1 Prozent mehr Energieeffizienz. In einer ähnlichen, 2016 publizierten Studie, waren es noch 0,2 Prozent. Es wird also weniger. Und wer einen Euro mehr Softwarekapital im Unternehmen hat, erhöht seine Energieeffizienz um sagenhafte 0,007 Prozent. Das bedeutet, dass wir noch mehr als 7000 Jahre warten müssen, bis 55 Prozent eingespart sind, wie es die deutsche Klimastrategie bis 2030 vorsieht. Ziel verfehlt, kann man da nur sagen.

Ich erinnere mich noch tränenden Auges an die goldenen Versprechen, die bezüglich der Nachhaltigkeit der IT auf einem IT-Gipfel irgendwann in den Nuller-Jahren gemacht wurden. Danach sollte auch der Verkehr schon 2020 komplett automatisiert und autonom und dadurch unheimlich grün sein. Wir sollten alle in smarten Häusern wohnen und so weiter. Von der Realität kann sich jedeR durch einfaches Umsehen überzeugen.

Digitalisierung folgt bislang dem Motto: Mehr Gewinn durch mehr Effizienz. Die Ökologie kommt in dieser Rechnung nicht vor. Und so, so diverse Referenten auf der Borderstep-Veranstaltung, wird permanent das Falsche groß ins Zentrum gesetzt: Autonomes Fahren statt intelligente Vernetzung umweltfreundlicher Verkehrsträger, smarte Häuser statt intelligenter Plattformen für Wohnungstausch, Algorithmen, die uns immer mehr Zeug aufschwätzen wollen statt Algorithmen, die uns helfen, nachhaltiges Verhalten zu entwickeln.

Womit wir bei den Plattformen wären. Ob die in ihrer gegenwärtigen Form die Nachhaltigkeit fördern, fragt sich das Projekt Co:Dina von Wuppertal Institut und IZT (Innovationszentrum Technologie). Wie müssen Plattformen reguliert respektive gestaltet werden, damit sie Nachhaltigkeit unterstützen statt einfach nur Konsumschleudern zu sein. Auch hier zeigte sich schnell: Ohne dass man konzeptionell den Raum der IT verlässt, kriegt man die Plattformen nicht nachhaltig. Denn so lange sie dem Prinzip der Gewinnmaximierung und Wachstumszwängen unterworfen sind (oder sich unterwerfen), ist es mit der Nachhaltigkeit schnell vorbei respektive man kommt erst gar nicht hin.

Passend zu den Themen, möchte ich zum Jahresschluss noch ein Buch vorstellen, das zwar schon einige Jahre alt ist, an Aktualität aber nichts verloren hat: „Seltene Erden“ aus dem Ökom-Verlag, dessen schöne Buchreihe „Stoffgeschichten“ viele blinde Flecken über von uns selbstverständlich ge- und vernutzte Materialien ausleuchtet.

Seltene Erden sind Stoffe, die teils für die Elektronik und den Mobilfunk, teils aber auch für Nachhaltigkeitstechnologien wie Windenergie oder Elektromotoren extrem wichtig sind. Selten sind nicht alle, sondern nur eine bestimmte Gruppe von ihnen. Alle aber kommen nur in Materialgemischen vor. Es bedeutet also meist einen sehr hohen Aufwand, sie verfügbar zu machen. Die Abhängigkeit von einigen wenigen Lieferländern ist groß. Das Recycling dieser Stoffe ist meist sehr aufwändig, manchmal heute noch gar nicht möglich oder wird erst gar nicht versucht, weil die Anteile am Gesamtgemisch der Recyclinggüter extrem gering, wenn auch für die Funktion höchst bedeutend sind. Kurz: Seltene Erden sind ein möglicher Engpass für die technologiebasierte Wende zur Nachhaltigkeit.

Das Buch von Luitgard Marschall und Heike Holdinghausen fasst die aktuellen Erkenntnisse zu diesen Stoffen zusammen, aber auch die sehr interessante Geschichte ihrer Entdeckung. Sie beschreibt Anwendungsgebiete, Verbrauchsmengen, vorhandene Recyclingtechniken, Projekte, die neue zu entwickeln versuchen. Schließlich geht es auch um Bemühungen, besonders seltene oder schwierig zu beschaffende Seltene Erden durch andere Stoffe zu substituieren. Wer sich mittels eines gut lesbaren Texts über diese spannenden Elemente informieren möchte, ist mit dem 2018 veröffentlichten Buch gut bedient.

Bibliographie: Luitgard Marschall, Heike Holdinghausen: Seltene Erden. Umkämpfte Rohstoffe des Hightech-Zeitalters. Aus der Reihe Stoffgeschichten. Oekom-Verlag, München, 1. Auflage 2018. Gebunden, diverse s/w-Abbildungen, Stichwort- und Literaturverzeichnis, 190 Seiten, 24 Euro. ISBN 9-783865818447

Übrigens: Bücher kauft und bestellt man am besten beim Buchhändler Ihres Vertrauens um die Ecke! Das schafft Arbeitsplätze vor Ort und hält unsere Städte und Gemeinden lebendig.

Mit dieser Ausgabe verabschiedet sich anderewirtschaft für einige Monate. Eine Kunstpause hat noch niemandem geschadet. Ich freue mich schon darauf, im nächsten Frühjahr oder Sommer mit neuen, hoffentlich interessanten Themen weiterzumachen. Bis dahin wünsche ich dem Leser*Innenkreis von anderewirtschaft eine möglichst coronafreie und entspannende Jahresendpause.

Ihre Ariane Rüdiger