Andere Wirtschaft im Februar: Nachdenken über Corona

Corona hat den Alltag überall auf der Welt verändert und das gibt auch neue Denkanstöße. Altbekannte Gedanken bekommen einen neuen Dreh, oder aber es entstehen vollkommen neue Ansätze. Die Zeiten sind außergewöhnlich – einerseits Corona, andererseits das Superwahljahr 2021 und drittens eine SPD, die fürchten muss, von Grün und von Rechtsaußen hinsichtlich des Wahlergebnisses auf die Plätze verwiesen zu werden.

Jedenfalls sah die Friedrich-Ebert-Stiftung ausreichend Anlass, lange Interviews mit der Sozialdemokratie nahe- oder zumindest nicht allzu fern stehenden DenkerInnen zu brennenden Themen der Zeit zu führen, wobei diese Themen unter dem Gesichtspunkt Folgen der/Erkenntnisse aus der Pandemie betrachtet wurden. Die verschriftlichten Gespräche erscheinen nun Schritt für Schritt als etwa 70seitiges Bändchen im Dietz-Verlag in der Reihe „rausgeblickt“.

Da gibt es zum Beispiel einen Band über „Pandemie und Arbeit“. Hier unterhält sich der Staatsrechts-Professor Christian Krell  mit Luisa Herzog, Professorin am Centre for Philosophy, Politics and Economics der Universität Grüningen. Das Gespräch befasst sich vor allem mit dem Recht auf Arbeit, dem von Herzog bevorzugten Lösungsvorschlag für infolge Corona, Digitalisierung und AI oder aus anderen Gründen wegbrechenden Arbeitsplätzen. Weitere Diskussionsthemen sind das leistungslose Grundeinkommen, die tragende Rolle von Arbeit in der Gesellschaft als sozialer Kitt und gleichzeitig die Funktion von Arbeitslosigkeit als Ausgleichsmechanismen, wenn es Firmen nicht gut geht. Wer verstehen will, aus welchen Gründen man ein Recht auf Arbeit einem Grundeinkommen vorziehen könnte, erfährt in diesem Text gute Argumente.

Im Band „Pandemie und Ungleichheit“ diskutiert einer der aktuellen Top-Ökonomen, Thomas Piketty, was Corona für die Wirtschaft bedeutet, warum man die Globalisierung nicht zurückdrehen kann, warum Europa mehr gemeinsame Entscheidungsgremien braucht und die staatlichen Entscheidungsebenen trotzdem nicht überflüssig werden und einiges mehr. Das profunde und viele Themenbereiche übergreifende Wissen von Piketty erstaunt einen dabei immer wieder genau wie die Argumentationsdichte und Originalität dieses Denkers. Allerdings sieht Piketty die Welt naturgemäß durch die französische Brille, schließlich ist er Franzose.

Im Band „Pandemie und Solidarität“ redet Christian Krell mit Gesine Schwan, Mitgründerin, Gesellschafterin und Präsidentin der Humboldt-Viadrina Governance Platform, über Solidarität in Corona-Zeiten und darüber hinaus. Zudem ist sie Vorsitzende der Grundwertekommission der SPD. Für Schwan ist das unvermeidliche Aufeinander-Angewiesensein eine wesentliche Erkenntnis aus der Corona-Pandemie. Mehr Kommunikation und mehr Vernetzung, das Ernstnehmen des Gegenübers und neue, näher am Menschen angesiedelte Diskursformate in der Politik sind einige Themen des Gesprächs.

Zum Lesen jedes Bandes braucht man je nach Tempo ein bis zwei Stunden, das Nachdenken über das Gesagte könnte auch mal länger dauern. Wer wissen möchte, was die Krise in den Hirnen von Vordenkern der Sozialdemokratie bewegt hat und bewegt, ist hier richtig.

Bibliographie: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Reihe rausgeblickt, Bände Pandemie und Arbeit (ISBN 978-3-8012-0605-5), Pandemie und Ungleichheit (ISBN 978-3-8012-0601-7), Pandemie und Solidarität (ISBN 978-3-8012-0603-1), broschiert, jeweils ca. 70 Seiten, Dietz-Verlag, Bonn, 2021, jeweils ca. 10 Euro.