Das Schlimmste scheint ja nun nicht einzutreten, vier weitere Jahre Trump bleiben uns, so wird aktuell von Tag zu Tag wahrscheinlicher, erspart. Von daher wird es wohl auch wieder einfacher, die Wirtschaft so zu transformieren, dass sie mit unserer längerfristigen Existenz auf diesem Planeten kompatibler wird.
Biden heißt allerdings nicht, dass der Menschheit automatisch weiterer Fake erspart bleib (so war das ja auch früher nicht). Nur der Trump-Fake, der dürfte deutlich weniger werden. Deshalb hier der Hinweis auf zwei Werke, die sich – das eine mehr wissenschaftlich, das andere etwas flapsiger – mit dem Thema „Fake“ auseinandersetzen.
Sehr sachlich, verständlich auch für Nicht-Medienwissenschaftler und gründlich in der Analyse ist das Buch von Katharina Nocun und Pia Lamberty. „Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen.“ Die beiden durften zum Thema auch schon auf der virtuellen Re:Publica referieren. Die Autorinnen definieren zunächst, was Fake ist und machen klar, dass das Thema nicht erst seit Trump, Corona oder der Existenz der Sozialen Medien eine Rolle spielt. Vielmehr gab es immer Fake, und er wurde auch oft genug eingesetzt, um politische Ziele zu erreichen.
Was sich durch Soziale Medien und das Web durchaus geändert hat, ist die Geschwindigkeit der Distribution des Unsinns oder der gezielten Desinformation: Während man früher mühselig überlegen musste, wie man seine Botschaft wirksam unters Volk bringt – etwa, indem man sie irgendwie in den Medien platzierte, aber das ist ja keinesfalls so einfach, wie das viele glauben, reicht heute ein Klick, und schon ist der Quatsch weltweit unterm Volk, vielleicht noch garniert mit irgendwelchen publikumsträchtigen Hashtags.
Die Algos der Sozialen Medien sorgen zudem durch ihr „Lernverhalten“, dass Besucher, die der Personalisierung von Ads und Nachrichten zustimmen (was man nicht muss) automatisch mit noch mehr und noch Krasserem gefüttert werden, was bislang angeklickt wurde. Sprich: Aus dem Schneeball wird in den Sozialen Medien nicht etwa schnell eine Pfütze, sondern eine Lawine mit gewaltiger Zerstörungskraft.
Lamberty und Nocun führen ihre Leser durch die gesamte Welt der alten und neuen Verschwörungstheorien, erklärt, woher sie stammen, wann sie zuerst auftauchten und wie sie „argumentieren.“ Den Schluss dieses im besten Sinn aufklärerischen Werks bildet ein Kapitel zum Umgang mit Verschwörungstheoretikern im Freundes-, Famillien- und Bekanntenkreis, dessen Tipps helfen können, seine Energie nicht in sinnlosen Diskussionen zu verpulvern.
Mit dem gleichen Thema befassen sich auf flapsig-kurzweilige Art auch ein schon 2018 erschienenes Buch von Christian Alt und Christian Fischer: „Angela Merkel ist Hitlers Tochter“. Die beiden beschreiben ihre eigenen Überlegungen und Experimente mit dem Thema – vom Versuch, den Vater einer Bekannten, der an eine spezifische Verschwörungstheorie glaubt, umzustimmen bis zum „Bau“ einer eigenen kleinen Verschwörungstheorien (Brandmelder an der Zimmerdecke, die ihre Besitzer permanent abhören) samt Video und Ins-Internet-Stellen. Die beiden waren übrigens über die schnelle Ausbreitung ihres Fakes so entsetzt, dass sie das Material schnellstens wieder löschten.
Sie berichten auch sehr anschaulich darüber, was Fake mit denen macht, die davon betroffen sind (nämlich nichts Gutes) und schauen sich derzeit beliebte Fakes an (zum Beispiel die Merkel-Gates-Echsen-Impfstoff-Chip-Kinderentführungs-Legende), und auch für den Umgang mit Fake-Gläubigen gibt es einige Hinweise. Alt und Fischer gehen wissenschaftlich längst nicht so gründlich und tiefgründig zu Werke wie das erstgenannte Buch, aber wer sich auf amüsante Weise das Wichtigste zum Thema aneignen möchte, ist auch hier gut bedient.
Und nun noch ein Blick auf die potentielle Welt nach Corona, zumindest wie sie die Wissenschaft sieht oder sich vorstellen kann. Unter den Überschriften Alltag, Das Virus im Fokus, Die (Nach-)Corona-Gesellschaft, Politik-Wirtschaft-Staat sowie Wissenschaft, Erkenntnis und ihre Kommunikation, Weltordnung geht es in jeweils mehreren Aufsätzen von Fachwissenschaftlern um viele Aspekte dessen, wie die Corona-Pandemie heute wahrgenommen wird und sich in Zukunft auswirken könnte.
Was man in jedem Fall beim Lesen versteht, ist, dass es sich tatsächlich um eine bisher einmalige Situation handelt – nicht in dem Sinn, dass eine Pandemie läuft, das gab es immer wieder, aber in dem Sinn, dass die Informationen so schnell sind wie die Pandemie und das Geschehen auf eine hochvernetzte, höchstgradig interdependente Gesellschaft trifft. Und dass sie nicht jeden gleich trifft, Asylsuchende zum Beispiel vollkommen anders als hier lange Beheimatete.
Die Illusion, man sei von der Welt und den anderen komplett unabhängig, dürfte an Corona zerschellen – mit möglicherweise heute noch gar nicht vorstellbaren Tiefenwirkungen fürs Bewusstsein der (Welt)gesellschaft und der Einzelnen, die ja nun jahrzehntelang ausschließlich auf Konsum und maximale persönliche Selbstverwirklichung geeicht wurden.
Gleichzeitig erfährt man, dass die Mittel gegen eine derartige Naturerscheinung im Großen und Ganzen noch dieselben Mittel angewandt werden wie anno dunnemals, sprich: Quarantäne, Isolation, und, wenn es gut geht, Impfen. Auch der Fake blühte in allen Seuchenzeiten prächtig, genau wie Schuldzuweisungen an alle Möglichen. Neu sind allenfalls die großen Investitionen, die das Wirtschaftsgeschehen in Gang halten sollen. Doch was bedeuten sie für die Nach-Corona-Jahre?
Von den Autoren behauptet niemand, die Zukunft sicher zu kennen, schließlich handelt es sich um Wissenschaftler. Verdienstvoll ist die Vielfalt der Perspektiven, die nicht nur Natur- oder Sozialwissenschaften umfasst, sondern beide Perspektiven verbindet. Die Lektüre bringt – allerdings in durchaus wissenschaftlicher Sprache – interessante Einsichten und Ideen, wie es weitergehen könnte und ist vielleicht gerade für die spannend, denen die Corona-Gegenwart mit ihren Einschränkungen und, besonders bei höherem Lebensalter, gesteigerten Risiken inzwischen kilometerweit zum Hals heraushängt, und das dürften viele sein.
Übrigens: Bücher kauft man bei der lokalen Buchhandlung. Die berät, hat keine Fake-Rezensionen und ist genauso schnell.
Bernd Kortmann, Günther G. Schulze (Hrsg.) Jenseits von Corona. Unsere Welt nach der Pandemie – Perspektiven aus der Wissenschaft. Serie X-Texte, 314 Seiten, broschiert, 31 Aufsätze mit je eigenen Literaturhinweisen. Transcript-Verlag, Bielefeld, 2020. ISBN 978-3-8376-5517, €
Christian Alt/Christian Schiffer: Angela Merkel ist Hitlers Tochter. Im Land der Verschwörungstheorien. 284 Seiten. Broschiert, Hanser, München, 2020. Gedruckt ISBN 978-3-446-26028-3, 18,00 Euro
Katharina Nocun, Pia Lamberty: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Gebunden, 348 Seiten, Quadriga, Köln, 2020. ISBN 978-3-7325-8651-6, 19,90 Euro.