Der oekom-Verlag ist für Bücher bekannt, die der Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit verhelfen sollen. In diese Kategorie gehört auch der neue band „Ökoroutine. damit wir tun, was wir für richtig halten.“ von Michael Kopatz. Der Band wurde zusammen mit dem Wuppertal-Institut erstellt. Auf rund 400 Seiten und in 11 Kapiteln versucht der Autor zunächst zu ergründen, warum trotz alelr gut dokumentierten, kaum noch bestrittenen Erkenntnisse und aller Aufrufe von wem auch immer der gesellschaftliche Mainstream weiter auf vorwiegend nicht nachhaltigem Kurs ist und wie das zu ändern wäre.

Als wichtigste Gründe für die Situation macht der Autor im Grunde das neoliberale Paradigma mit einem zurückhaltendem Staat, expandierender Wirtschaft, globaler Konkurrenz, ungebremstem Wachstumsstreben und Lobbyismus verantwortlich, womit er sich in bester Gesellschaft mit den meisten Kritikern der Verhältnisse befindet.

Gleichzeitig verortet er aber auch individuelle Faktoren, die zum Weiterwurschteln beitragen: der Expansionsdrang jedes Einzelnen, der Hang, sich zu vergleichen und unzufrieden zu sein, der Werbung oder den Medien zu erliegen, Umweltveränderungen nicht wahrzunehmen und bequemerweise einfach das Gewohnte zu tun, die Kunst des menschlichen Bewusstseins, Unerträgliches einfach wegzuschieben und so weiter. Die Mär vom „umweltbewussten Konsumenten“ und seinem weitreichenden Einfluss weist der Autor von sich – seine Chancen, etwas Grundlegendes an der Umweltmisere zu ändern, seien grundsätzlich beschränkt und zudem würde er oftmals nur punktweise ausgeübt, um an anderer Stelle nur um so hemmungsloser zu verbrauchen – der Bioladenkäufer mit jährlich drei Fernreisen ist hier ein beliebtes Beispiel.

Statt dessen fordert der Autor eine langfristig angelegte Regulierung in kleinen, nachvollziehbaren Schritten, die sich auf alle Lebensgebiete bezieht und umweltbewusstes Handeln gewissermaßen als neue Leitlinie definiert, die schon bald niemandem mehr auffallen werde – schließlich habe man sich auch auf den meisten anderen Lebensgebieten an eine hohe Regulierungsdichte gewöhnt und akzeptiere sie selbstverständlich, weil eingesehen werde, dass sie das Schmiermittel eines gedeihlichen Zusammenlebens in großen Gemeinschaften bildet.

Dann geht Kopatz ins Detail und beschreibt, wie er sich Regulierung zum Thema Nahrung, Wohnen, Strom, Kaufen, Reisen, Arbeiten, Wirtschaftsförderung vorstellt und wie diese umzusetzen sei. Dankenswerterweise führt er zu den meisten Themen auch gleich konkrete Beispiele und Vorbilder aus Deutschland oder anderen Ländern an, die zeigen, wie es gehen könnte.

Das letzte Kapitel fasst das Gesagte noch einmal zusammen.

Die Stärke des Buches liegt ganz eindeutig in der Konkretheit der Vorschläge für sinnvolle Regulierungen, die es auf allen genannten Feldern anbietet. Allerdings ist wenig Neues dabei, wer sich im Thema auskennt, hat das meiste schon einmal gehört, allerdings nicht so systematisch zusammengestellt. Auch dass am Anfang die Gründe des Scheiterns bisheriger Ansätze dargestellt werden, ist ein großes Plus.

Die Schwäche des Buches liegt darin, dass Kopatz zwar aufzeigt, warum die gegenwärtige Abhängigkeit von Wachstum und Expansion eine Umstellung auf ein ökologisches Gesellschaftsmodell behindert. Er macht auch Vorschläge dafür, wie eine wachstumsarme Arbeitswelt aussehen könnte (Teilzeit für alle, Arbeit für alle). Was er allerdings nicht erklärt, ist leider, wie das Sozialversicherungs- und insbesondere das Rentensystem so umgebaut werden können, dass sie einerseits ökologieverträglich sind und andererseits Lebensmodelle jenseits der Großfamilie früherer Tage ermöglichen, die mitnichten das gern beschworene Idyll war, als die sie von interessierten Kreisen gern dargestellt wird. Genau an diesem Punkt aber wird sich entscheiden, ob Menschen freiwillig der Definition neuer ökologischer Routinen zustimmen, die für den Einzelnen durchaus Einschränkung bedeuten können – zum Beispiel bei Wohnraum, Reisen oder finanziellem Spielraum – oder ob sie letztlich zu ihrem „Glück“ durch Katastrophen oder anderes Unliebsame gezwungen werden müsssen – die Diktatur Singapur, die der Autor an einer Stelle ebenfalls als Beispiel gelungener Ökoregulierung anführt, lässt grüßen.

Genau das dürfte letztlich einer der wichtigsten Gründe sein, warum bisher entsprechende Ansätze politisch nicht konsequent umgesetzt werden. Wie dies zu erreichen ist, ohne die demokratischen Freiheiten preiszugeben, darauf gibt das Buch leider keine wirklich überzeugende Antwort.

Michael Kopatz: Ökoroutine. Damit wir tun, was wir für richtig halten. Oekom-Verlag München 2016. Gebunden, 412 Seiten, ausführliches Quellen- und Stichwortverzeichnis. ISBN 978-3-86581-806-5 24,95 Euro.

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