anderewirtschaft kriegt neue Heimat

Blog.de hat im Herbst allen bisherigen Bloggern gekündigt, da man das Geschäftsmodell geändert hat. Deshalb kriegt anderewirtschaft im neuen Jahr eine andere Heimat. Bis dort alles läuft, kann es aber etwas dauern. Dh., bis zum Erscheinen neuer Beiträge gibt es womöglich erst einmal ein zeitliches Loch. Der neue Standort wird über meinen Twitter-Account (@aruediger) bekanntgegeben. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch dort wieder dabei wären!

In der Wachstumsfalle – neue Lektüre zu einem schwierigen Thema

Grünes Wachstum hieß die Devise in den vergangenen Jahren, doch funktioniert dieses Konzept wirklich, und funktioniert es schnell genug, um den Klimawandel rechtzeitig abzubremsen – ehe dieser nämlich den Globus Schrittchen für Schrittchen in ein Chaos verwandelt? Diese Fragen sind trotz Flüchtlingskrise nicht obsolet, eher im Gegenteil. Gehören doch Massen von Umweltflüchtlingen zu den übereinstimmend prognostizierten Schreckensszenarien in einer klimagewandelten Welt.
Mit dem Thema Green Growth beschäftigt sich in ihrem vor einigen Monaten bei Blessing erschienenen Buch „Aus kontrolliertem Raubbau“ die als Kritikerin der herrschenden ökonomischen Verhältnissen bekannte Journalistin Kathrin Hartmann. Sie hat sich auf ihren ausführlichen Recherchen auch am Ort des Geschehens unter anderem die Themen Palmölexport, Shrimpsfarmen, Agrogentechnik und Forschungsförderung durch die Gates-Stiftung herausgepickt. Am besten und ausführlichsten ist ihre Kritik an zwei Vorzeigeprojekten der sogenannten grünen Wirtchaft im Süden: der Anbau von Ölpalmen, seien die Plantagen nun zertifiziert oder nicht, und der Aufbau von Shrimpsfarmen in dafür geeigneten Gegenden, oft anstelle der dort früher befindlichen Reisfelder. Die Bilanz Hartmanns für beides fällt verheerend aus, und leider betrifft das auch die Zertifizierungsprojekte, die mit diesen beiden Formen der Landnutzung verbunden sind. Am erschütterndsten ist, dass in den Gegenden, wo sie sich ausbreiten, nun statt der früheren Ernährungssouveränität Hunger herrscht. Andere Kapitel sind weniger überzeugend, vor allem deshalb, weil Hartmann hier weniger auf den eigenen Augenschein vertraut, als Quellen mehr oder weniger zu übernehmen, die selbst erst vor kurzem erschienen sind. So zitiert Hartmann in ihrem Kapitel über Geoengineering exzessiv aus Naomi Kleins letztem Buch „Die Entscheidung: Kapitalismus oder Klima“. Wer es gelesen hat, wie wahrscheinlich manch eine Person, die auch zu Hartmanns Buch greift, findet dort kaum noch Neues. Ähnlich das Kapitel über die Gates-Stiftung. Hier wäre weniger mehr gewesen: statt des grlßen Rundumschlags die Fokussierung auf die Themen, wo das Wissen der Autorin dank Augenschein am tiefsten reicht und die Bilder und Fakten, die sie transportiert, die Leserschaft eigentlich nicht unberührt lassen können. Fazit: Green Growth ist eine Illusion, gerade in Landwirtschaft und Tierzucht wird gelogen, dass sich die Balken biegen, und zudem liegt mit dem Weltagrarbericht längst eine sehr hochrangige Expertise auf dem Tisch, die glaubhaft belegt, dass mit den Produkten der Agrargiganten auf die Dauer die Menschheit nicht satt zu bekommen ist, sondern nur mit relativ kleinteilgem, ökologischem Mischfruchtanbau. An den hier vorgeschlagenen Methoden lässt sich freilich nicht so viel von Firmen wie BASF oder Monsanto verdienen.
Wer es gern etwas theoretischer hätte, kann zur „Kritik der grünen Ökonomie“, herausgegeben vom Münchner Oekom-Verlag zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung greifen. Der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, ist ein Vertreter des grünen Wachstums, weil sich sonst der Wohlstand der „unterentwickelten Länder“ nicht ausreichend steigern ließe, um die dortigen Menschen zufriedenzustellen und gleichzeitig die hiesigen Sozialsysteme zerfielen, sobald das Wachstum ausfällt. Gleichzeitig gibt es in der Heinrich-Böll-Stiftung auch eine ganze Reihe von Kritikern am nunmehr zur offiziellen Politiklinie gereiften Green-Growth-Ansatz. Das Buch kommt eher aus dieser Quelle. Es rollt das Thema in drei großen Abschnitten auf und plädiert am Ende für ein wieder errichtetes Primat der Politik. Teil 1 behandelt die teils sattsam bekannten kritischen Themen Klimawandel, Artenverlust, Verlust an Bodenfruchtbarkeit und soziale Ungleichheit, um abschließend das Konzept des Green Growth vorzustellen. Teil zwei erklärt und kritisiert verschiedene aktuelle Konzepte, die mit rein ökonomischen und technologischen Mitteln das Problem in den Griff bekommen wollen, etwa die „Inwertsetzung“ von Natur und Gemeinschaftsressourcen wie Luftreinheit und Innovation sowie die damit verbundenen Mechanismen wie den Handel mit Klimazertifikaten. Im dritten Teil setzen sich die Autoren mit Ansätzen der Umweltpolitik auseinander, etwa mit dem Zertifikatehandel und mit der Unmöglichkeit, dass das Handeln der Zivilgesellschaft allein das Problem lösen kann, etwa durch bewusste Kaufentscheidungen. Abschließend fordern sie eine neue „Politische Ökologie“, die die blinden Flecke der derzeitigen, rein ökonomisch ausgerichteten Lösungsversuche ersetzen und durchaus auch die Macht- und Gestaltungsfrage neu stellen soll.
Wer anspruchsvolle Grafiken zur Untermauerung der These, dass dauerhaftes Wachstum unmöglich ist, sucht, sollte zu der vor kurzem erschienenen
Band „Weniger wird mehr“ der Veröffentlichungsreihe Atlas der Globalisierung“ von Le Monde Diplomatique zu Rate ziehen. Die Veröffentlichung wurde gestaltet mit dem Kolleg „Postwachstumsgesellschaften“ der Universität Jena. Angefangen bei den Folgen unseres Wirtschaftens reicht das Themenspektrum der zwei-bis vierseitigen Artikel über die verschiedenen Postwachstumsgesellschafts-Denkansätze bis hin zu Schlussfolgerungen, die wahrscheinlich nicht jeder teilt, aber die zumindest jeder kennen sollte. Die Grafiken sind gelegentlich sehr komplex, so dass man zu ihrem Verständnis beinahe länger braucht als zum Lesen. Wohl mit am wichtigsten ist ein Artikel etwa in der Mitte der Publikation, der erklärt, warum sich alle so schwer tun damit, sich vom Wachstum zu verabschieden – nämlich, weil keiner weiß, wie man ohne unangenehme Verwicklungen von A nach B kommen soll. Daran müsse noch geforscht und entwickelt werden, heißt es. Leider aber ist genau davon weder in Mainstream-Ökonomie, noch in Mainstream-Politik viel zu spüren.

Bibliographie: Thomas Fatheuer, Lili Fuhr, Barbara Unmüßig: Kritik der Grünen Ökonomie. 196 Seiten, broschiert, Oekom-Verlag München 14,95 Euro. ISBN 9-78365-817488
Kathrin Hartmann: Aus kontrolliertem Raubbau. Wie Politik und Wirtschaft das Klima anzeizen, Natur vernichten und Armut produzieren. 447 Seiten, broschiert, Blessing-Verlag München, 18,99 Euro. ISBN 978-3-89667-532-3. Taz-Genossenschaft: Le Monde Diplomatique/Kolleg Postwachstumsgesellschaften: Atlas der Globalisierung – Weniger wird mehr. 173 Seiten, DIN A 4 broschiert, 16 Euro, ISBN 978-3-937683-57-7

Eine kurze Geschichte des Stickstoffs

Wer denkt schon an Stickstoff, wenn er oder sie ein Butterbrot isst? Dabei läge der Gedanke nahe, denn erst mit der industriellen Stickstoff-Herstellung mit dem sogenannten Haber-Bosch-Verfahren steht der Dünger in großen Mengen außerhalb der Bodenkreisläufe zur Verfügung. Weil das Verfahren energieintensiv ist, ist die künstliche Stickstoffherstellung nur in der Industriegesellschaft denkbar und einer der wichtigsten Gründe, warum die Zahl der Menschen auf der Erde in den letzten Jahrzehnten so schnell gewachsen ist: Ohne den vielen Dünger hätten so viele Menschen voraussichtlich schlicht nicht ernährt werden können. Das Buch „N- Stickstoff – ein Element schreibt Weltgeschichte“ ist Band 9 der Reihe Stoffgeschichten des Oekom-Verlags in Kooperation mit dem Wissenschaftszentrum Umwelt der Universität Augsburg. Es macht wie schon die Vorläuferbände klar, wie eng menschliches Handeln und Stoffkreisläufe mittlerweile verknüpft sind. Es beleuchtet die Geschichte des Stickstoff von den ersten Erkenntnissen über seine Rolle als Pflanzennährstoff über die die ersten Methoden zur „Stickstoffernte“ bis hin zur industriellen Stickstofferzeugung. Inzwischen wird mit industriellen Verfahren so viel Stickstoff aus der Atmosphäre geholt wie alle Bakterien weltweit binden. Die Folgen sind Überdüngung, Nitratverseuchung des Trinkwassers, Umkippen von Seen und Meeren. Alternativen? Gibt es derzeit wohl nicht, jedenfalls habe ich in dem Buch keine finden können. Die Sprache der verschiedenen Beiträge, die jeweils von hochrangigen Experten stammen, ist teils sehr anschaulich, teils eher für Chemiker geeignet. Wer etwas Geduld mit den wissenschaftlicheren Passagen hat, wird hier viel darüber erfahren, warum und wie Stickstoff und seine Nutzung den Planeten beeinflussen. Erfreulich ist die hochwertige, gebundene Aufmachung mit zahlreichen, auch farbigen Abbildungen. Wer gerne experimentiert, findet im hinteren Teil einige einfach durchführbare Versuche, mit der sich etwas über Stickstoff, seine Verbreitung und seine Rolle herausfinden lässt.

Bibliographie: Gerhard Ertl, Jens Soentgen (Hrsg.) : N Stickstoff –ein Element schreibt Weltgeschichte. Oekom-Verlag, München, 2015. 261 Seiten, gebunden, zahlreiche farbige und s/w-Abbildungen, ausführliches Autorenverzeichnis. 24,95 Euro, ISBN 978-3-86581-736-5

Crowdfunding ökologisch- Ecocrowd, eine Initiative der Deutschen Umweltstiftung sucht noch Unterstützer

Umweltinitiativen scheitern oft an Geldmangel. Dagegen versucht die Deutsche Umweltstiftung nun etwas zu tun, indem sie die Crowdfunding-Plattform Ecocrowd gründet. Wer 100 Euro übrig hat, kann auch „Spendenaktien“ erwerben und dann Einfluss auf die weitere Gestaltung der Plattform nehmen. Wer einzelne Projekte unterstützt, erhält von diesen ein „Tauschgut“, also eine Leistung oder einen Gegenstand als kleinen Ausgleich für den Beitrag, den der oder die ASpenderin geleistet hat. Wer noch schnell eine Aktie kauft, hat die Chance, auf Ehrenticket zu einem EcoCrowd-Kongress am 20. November in Berlin zu gehen, Anreise und Unterbringung müssen aber selbst bezahlt zu werden. Es sind schon Projekte auf der Seite, so dass man sich ansehen kann, wie EcoCrowd in der Realität arbeitet und welche Projekte unterstützt werden.

Grüne Startups können was gewinnen

Damit mehr grüne Unternehmen gegründet werden, gibt es jetzt das Portal Startgreen.net. Dahinter stehen die Initiative Startup4Climate und das Borderstep-Institut. Die Startgreen-Präsenz bringt Informationen über die (grüne) Gründerszene und arbeitet viel mit kleinen Videos. Außerdem wird über das Portal der Startgreen-Award ausgeschrieben, der insgesamt mit 20000 Euro dotiert ist.
Zurück zum Portal: Auf der Seite „Aktuelles“ gibt es aktuelle News aus der grünen Gründerszene, meist aus den Medien übernommen.
Good Practise präsentiert grüne Ansätze, die Beispiel geben können. Beispielsweise finden wir hier Porträts diverser Inkubatoren und junger sowie nicht mehr ganz so junger Firmen wie etwa mit dem Batteriespezialisten Youncios. Unter Netzwerk findet man alle Kooperationspartner von Startgreen, immerhin 28 Stück.
Auf der Seite Wissen werden vor allem noch einmal die Ergebnisse der Borderstep-Studie zur grünen Wirtschaft in Deutschland und grünen Gründungen präsentiert (man wird sich hier nach einer Weile sicher aktuelle Infos wünschen).
Auf der Award-Seite geht es um … na was wohl. In vier Kategorien (Gründungskonzept, Startups, junge Unternehmen und Gründungsförderakteure werden jeweils 5000 Euro an den Sieger ausgegeben. Die Online-Bewerbungsfrist läuft noch bis 5.10., verliehen wird der Preis am 19.11. im Rahmen der Gründerwoche. Bei der Ermittlung der Sieger wechseln sich Experten-Begutachtungen und Publikumsabstimmungen ab, nach drei Runden stehen die Gewinner fest. Die Bewerbungsprozedur findet hier statt.

Retten wir den Regenwald?

Rechtzeitig zur Klimakonferenz inParis ist ein neuer Bericht an den Club of Rome im oekom-Verlag erschienen. Diesmal geht es um den Regenwald und seine schrittweise Zerstörung seit Beginn der Kolonisierung. Im Gegensatz zu den häufig pauschalisierenden Darstellungen geht das Buch von Claude Martin, der sich seit Jahrzehnten, unter anderem als Direktor des WWF, um die Erhaltung der Regenwälder bemüht, ins Detail. Wir erfahren, welchen Mustern die Abholzung oder Degradierung des Regenwaldes in jeder der großen geografischen Regionen folgt, warum es so schwierig ist, ein Bild von der tatsächlich verbliebenen Menge Regenwald zu gewinnen, welche Rolle bei der Regenwaldzerstörung unterschiedliche wirtschaftliche Aktivitäten spielen und warum der Regenwald überhaupt wichtig ist. Und wir hören von den vorhandenen Hoffnungsschimmern, die es möglich machen könnten, die einzigartige Ressource Regenwald für die Zukunft zu erhalten. Dies alles in einer anschaulichen, aber trotzdem fachlich korrekten Sprache und unterlegt mit Bildmaterial, das die Texte anschaulich werden lässt. An verschiedenen Stellen sind wenige Seiten lange Stellungnahmen von Spezialisten zu unterschiedlichen Themen in den Text eingestreut. Den Abschluss bilden 17 „Kernbotschaften für die Zukunft“ zu den Themen Naturschutz, Strategie sowie Allianzen und Partnerschaften, die beschreiben, welche politischen Strategien und Maßnahmen helfen könnten, den Regenwald zu erhalten. Im Anhang erfahren die Leser Details über Messmethoden der Waldabdeckung und ihre Ergebnisse, lernen unterschiedliche Waldklassifizierungssysteme kennen, können in einem Glossar wichtige Begriffe aus dem Text nachschlagen und im ausführlichen Quellenregister Sekundärliteratur nachschlagen. Ein Stichwortverzeichnis erleichtert es, Informationen zu spezifischen Details zu finden. Wer wirklich wissen will, was mit den Regenwäldern geschieht und wie es um sie steht, ist mit diesem anspruchsvoll ausgestatteten Buch aus klimaneutral produzierten Buch gut bedient.

Bibliographische Angaben: Claude Martin, Endspiel. Wie wir das Schicksal der tropischen Regenwälder noch wenden können. Der neue Bericht an den Club of Rome. Oekom-Verlag, München, 2015. 351 Seiten, gebunden, zahlreiche Abbildungen, ausführliches Quellen- und Stichwortverzeichnis. ISBN9-783865-817082, 22,95 Euro.

Ein tiefer Blick hinter die Kulissen des in Deutschland boomenden Wirtschaftszweiges Prostitution

Nicht immer geht es beim Thema Nachhaltigkeit und anderes Wirtschaften nur um die Neuorientierung industrieller Produktion. Wer wirklich anders und gerechter wirtchaften will, muss auch im Auge behalten, welche Art von Arbeit wie auf die Geschlechter verteilt wird und was das über die gegenwärtigen Geschlechterverhältnisse aussagt. Ein Beispiel dafür ist die Prostitution, ein Berufszweig, der weit überwiegend von Frauen ausgeübt, dessen gewinne aber ebenfalls weit überwiegend von Männern abgeschöpft werden.
In Deutschland wurde Prostitution mit der rot-grünen Reform vom Anfang des Jahrtausends zum Wirtschaftszweig wie jeder andere ernannt, was Prostituierten das Leben erleichtern sollte. Gut gemeint, aber von einer im Nachhinein geradezu erschütternden Naivität geprägt, ging dieses Gesetz gründlich daneben. Zwar trat so gut wie keine Prostituierte wie erträumt in die Sozialversicherungen ein. Dafür sorgte die neue rechtliche Lage dafür, dass in Deutschland Riesenbordelle entstanden, in denen Massen von Prostituierten, größtenteils zwangsimportiert aus anderen Ländern, für unsägliche Honorare Dienst am häufig per Bus aus strengeren Nachbarländern angekarrten und in der Regel männlichen Kunden tun. Gelegentlich werden in solchen Einrichtungen Bier, Bockwurst und Frauen satt für unter zehn Euro angepriesen.
Durch diese Zustände induziert, ist seit dem vergangenen Jahr im Rahmen einer geplanten rechtlichen Neuregelung hierzulande eine intensive Debatte über die rechtliche Handhabung von Prostitution entbrannt. Das Buch der irischen Ex-Prostituierten Rachel Moran lässt sich als Beitrag zu dieser Debatte lesen. Moran arbeitete selbst im Alter von 14 bis 22 Jahren in Irland als Prostituierte in verschiedenen Settings und kennt daher die Branche aus eigener Erfahrung. Im Gegensatz zu vielen anderen, die das Thema heute in Talkshows diskutieren, analysiert sie die Auswirkungen, die diese Berufstätigkeit auf ihr Seelenleben hatte und hat, und die psychischen Voraussetzungen, die es ihr überhaupt attraktiv erscheinen ließen, in die Prostitution einzusteigen, in begrüßenswert schonungsloser Deutlichkeit.
Manchmal ist es harter Tobak, wenn sie beschreibt, wie Dissoziation –also die Trennung zwischen Selbst und eigenem Handeln – die Grundvoraussetzung dafür ist, für Geld sexuelle Dienstleistungen zu vollziehen. Die drei wichtigsten Qualifikationen, die sie für ihre Tätigkeit brauchte, beschreibt sie an einer Stelle so: „die Fähigkeit, den eigenen Würgereflex zu kontrollieren“ (beim Oralsex mit Männern), „die Fähigkeit, den Drang zum Weinen zu unterbinden“ und „die Fähigkeit sich vorzustellen, die aktuelle Realität sei nicht echt“. Die Folge sind häufig posttraumatische Belastungsstörungen, die die Opfer oft lebenslang begleiten. Moran setzt sich auch damit auseinander, warum in der Öffentlichkeit immer wieder Prostituierte, Bordellbetreiber und andere auftreten, die diesen Job als Arbeit wie jede andere verteidigen oder andere Auffassungen verbreiten, die Moran kurz und bündig als „Prostitutions-Mythen“ bezeichnet. Wer immer über die richtige Regulierung der sogenannten Sexarbeit nachdenkt, sollte diesen Text kennen und in die eigenen Erwägungen zu dem Thema einbeziehen.

Bibliographische Angaben: Rachel Moran: Was vom Menschen übrigbleibt. Die Wahrheit über Prostitution. Aus dem Englischen übertragen von Maria Heydel. Tectum-Verlag, Marburg, 2015. Broschiert, 387 Seiten. ISBN 978-3-8288-3458-3, 17,95 Euro

Andere (Wasser)wirtschaft online – Simulationspiel

Auch anderewirtschaft denkt zur Zeit der Gamescom in Köln ans Gaming und stellt deshalb das Online-Simulationsspiel Anawak vor. Darin soll man lernen, wie die Ressource Wasser unter unterschiedlichen Klimabedingungen verwaltet werden kann. Berücksichtigt werden unterschiedliche Schwerpunktsetzungen (Wirtschaft, Gesellschaft, Ökologie), unterschiedliche Nutzerinteressen etc. und man kann sehen, wie sich verschiedene Maßnahmen auswirken. Ein zwei Minuten langer Einführungsfilm gibt einen ersten Eindruck. Geballert wird bei diesem Spiel übrigens nicht, und Außerirdische, Zauberspiegel, -stäbe oder sonstiges magische Gerümpel muss leider draußen bleiben. Wen`s interessiert, findet unter FAQ eine detaillierte Dokumentation, in der auch die programmiertechnischen Grundlagen des Spiels erklärt werden. Entwickelt wurde es vom Innovationsnetzwerk des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V. und dem Innovationsnetzwerkes Klimaanpassung Brandenburg Berlin (INKA BB). Wer Ballerspiele gewohnt ist, dem ist das Spiel wahrscheinlich zu langweilig, wer sich für Wasser interessiert und om Bildschirm noch nicht genug hat, sollte es ausprobieren.

Bayern wird immer reicher – regionales Wohlergehen nicht unbedingt

Wohlfahrt und Wirtschaftswachstum in Bayern befinden in Bayern nicht im Einklang (siehe hier). Von 2000 bis 2007 klafften beide Werte jährlich weiter auseinander, seitdem hat sich die Lücke nicht signifikant geschlossen. Das zeigt, dass reine BIP-Berechnungen nur sehr partiell darüber Auskunft geben, wie gut es einem Land oder einer Region tatsächlich geht. Alternative Wirtschaftswissenschaftler und die Grünen fordern schon lange, dass das BIP nur noch als ein Gradmesser des Wohlergehens verwendet und durch andere, umfassendere Indikatoren ergänzt wird. Das Berechnungsmodell des regionalen Wohlfahrtindex und die Berechnung aller Teilwerte, die in den Index einfließen, finden sich hier.