Wer dem Monopolisten traut… Neues von Amazon

Die Verfechter von möglichst wenig Marktregulierung können im Moment auf dem Buchmarkt mal wieder lernen, wozu solche Zustände führen. Denn dort führt Amazon, so jedenfalls neueste Berichte des Handelsblatt, einen gnadenlosen Krieg gegen alles, das wagt seine eben für Monopolisten typischen Verhaltensweisen in Frage zu stellen. Amazon diktiert Margen und anderes, wer aufmuckt, wird abgestraft, indem seine Werke nur noch ganz hinten in der Trefferliste auftauchen, Lieferfristen länger angegeben werden als real etc. Wer kein sehr dickes Fell hat, verzichtet irgendwann möglicherweise frustriert darauf, seine Gedanken als Buch – ob nun digital oder nicht – zu publizieren.
Leider sind deutsche Buchkäufer (und Buchkäuferinnen!) noch immer zu bequem und zu gleichgültig, zu begreifen, was er mit der Anforderung eintägiger Lieferfristen eigentlich anrichtet – nicht nur in Bezug auf die Ökologie (Lieferverkehr!), die Ökonomie (Buchhandelssterben!) oder die Arbeitsbedingungen (Dauerlauf in den Auslieferungslagern), sondern auch in Bezug darauf, was Amazon mit seinen Verlags- und Autorenpartnern machen kann. Oft genug dürfte dann das Werk oder der Gegenstand, der mit so großer Eile bestellt wird, ohnehin tage- oder wochenlang unbeachtet im Regal liegen. Bittbriefe an Jeff Bezos halte ich da nicht für das taugliche Mittel. Das einzige Mittel, das Amazon verstehen dürfte, ist: Souverän ignorieren, wie viele Tage die Lieferung dauert. Ein Buch ist keine Frischfrucht. Es liest sich auch in einer Woche gut. Oder gleich zur nächsten Buchhandlung. Die freut sich, ihre Existenz erhält Arbeitsplätze und die Vielfalt der Städte.

Warum der Abschied vom Wachstum schwer fällt, aber unausweichlich ist (Rezension)

Das wichtigste Konzept der Ökonomie heißt derzeit Wachstum. Ob nun qualitativ, nachhaltig oder grün – Wachstum muss sein, und zwar möglichst weltweit, nicht nur in den noch weniger wirtschaftlich entwickelten Regionen dieser Erde. Warum dieses Konzept an Grenzen stößt, welche dies sind und warum sie von unserem politischen Willen mehr oder weniger unabhängig existieren, davon handelt „Sklaven des Wachstums“ von Reiner Klingholz, dem Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.
Klingholz` Argumentation ist so klar wie schwer widerlegbar: Die Menschheit wächst zwar noch, wird aber damit schon bald damit aufhören und muss dies auch, weil die Tragfähigkeitsgrenzen des Globus durch den Schadstoffausstoß und Ressourcenverbrauch erreicht werden. Sonst verschlechtern sich die ökologischen Lebensbedingungen der Menschheit bis hin zu unlebbaren Zuständen.
Das Dilemma sieht Klingholz auf der individuellen Ebene darin, dass Wachstumsverzicht von Einzelnen nicht anerkannt wird und strukturell sehr schwierig ist. In der politischen Dimension sieht er das Problem darin, dass auf dem Globus sehr unterschiedlich entwickelte Länder und Ökonomien nebeneinander existieren: von der fast noch Subsistenzwirtschaft bis hin zu den voll entwickelten Industriegesellschaften. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine unterschiedliche Einstellung zum Wachstum: Arme Ökonomien müssen seiner Meinung nach vorläufig wachsen, obwohl dies die Ökosphäre belastet, um so wohlhabend zu werden, dass sie sich den demografischen Übergang leisten können. Reiche Nationen, die bereits heute weniger Nachkommen erzeugen als zur Reproduktion nötig, müssen sich dagegen schon jetzt auf schrumpfende Ökonomien einstellen – einfach deshalb, weil weniger Menschen weniger produzieren und verbrauchen. Das Erstaunliche daran ist, dass, wenn dieser Übergang einmal stattgefunden hat, es nach bisherigen Erkenntnissen keine Rückkehr zu hohen Geburtenraten mehr gibt, auch wenn ein Land anschließend wieder ärmer wird.
Dass in reicheren Ländern die Bevölkerungen anfangen zu schrumpfen, ist an sich eine gute Nachricht, heißt es doch nichts anderes, als dass das uferlose Anwachsen der Menschheit in mittelfristigen Zeiträumen endet – und mit ihm das Wirtschaftswachstum, denn um Milliarden geringere Bevölkerungen verbrauchen und konsumieren zwangsweise weniger, was letztlich der uns tragenden Ökosphäre die dringend nötige Entspannung bringen wird.
Doch bis dahin rast, so Klingholz, die Menschheit auf ein Nadelöhr zu, das in den reichen und armen Ländern unterschiedlich aussieht: In den reichen Ländern besteht das Problem darin, dass sie die bald schon vorhandenen Rentner-Massen ausreichend versorgt werden müssen, obwohl die Wirtschaft längst nicht mehr mit den Raten der Nachkriegszeit wächst und wohl auch nie mehr wachsen wird. Gebe es in einem Land einen Kapitalstock wie etwa in der Schweiz oder Norwegen, sei das, so Klingholz, ein zu bewältigendes Problem. Wo dieser fehle oder noch fehle, etwa in China, werde es schwierig.
Arme Ökonomien aber müssen wachsen, obwohl ihre ökologische Basis das manchmal kaum noch zulässt. Ob und in welchem Umfang das gelinge, sei, so Klingholz, zweifelhaft. Gelinge es ihnen nur mangelhaft, einen gesellschaftlichen Kapitalstock aufzubauen, weil zum Beispiel wie in Ägypten oder anderen Ökonomien keine Arbeit verfügbar ist, wenn die Vermehrungsraten zu sinken beginnen, müssen die Gesellschaft sich zunächst mit Unmassen arbeits- und zielloser junger Menschen ohne Hoffnung herumschlagen und anschließend mit Massen verarmter alter Menschen.
Wie es gelingen kann, Ökonomie, Ökologie und Demografie auf für die Menschheit gedeihliche Weise miteinander zu vereinbaren (Klingholz spricht hier von einem Trilemma), weiß auch der Autor nicht. Er betont an mehreren Stellen, dass auf der Suche nach neuen Wegen wahrscheinlich Konflikte, Krisen und Notlagen, immer häufiger ökologischen Ursprungs, als Auslöser eine wichtige Rolle spielen werden.
Immerhin öffnet er aber den Lesern und Leserinnen die Augen für die auf Dauer unvermeidbaren Abschied vom Wachstumsparadigma jedweder Färbung und die damit notwendigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie können sich seiner Meinung nach mangels bekannter Vorbilder nur als schrittweiser, auf vielen Ebenen und in vielen Formen stattfindender iterativer Suchprozess gestalten. Trotzdem ist Klingholz keineswegs hoffnungslos: Lebewesen in der Natur gelinge es schließlich flächendeckend, nach dem Wachstum lange in einem Reifestadium zu überleben, bevor sie irgendwann vergehen, schreibt er – warum solle dies bei der Menschheit anders sein?
Eine lesenswerte, gut geschriebene und weitgehend allgemein verständliche Lektüre für alle, die vor den Tabuthemen Demografie und Wachstumskritik nicht zurückschrecken.

Bibliographie: Reiner Klingholz: Sklaven des Wachstums. Die Geschichte einer Befreiung. Campus-Verlag 2014. 348 Seiten, gebunden, inklusive E-Book zum Herunterladen. ISBN 978-3-593-39798-6, 24,99 Euro.

Wie Technologie und Niedertracht die Börsen verändern (Rezension)

Wer einmal genau erfahren will, wie eine Mischung aus Hochtechnologie, Naivität der Politik, fehlender Regulierung und menschlicher Niedertracht einen Wirtschaftszweig zum Schaden der gesamten Volkswirtschaft verändern, sollte das derzeit viel diskutierte Buch „Flash Boys“ lesen. Es erzählt, wie Superprogrammierer, Hochleistungsrechner, Glasfaserkabel und Co-Location dazu geführt haben, dass Hochfrequenzhändler und ihre ausgebufften Algorithmen alle anderen Marktteilnehmer „melken“, und zwar lange, ohne dass diese es überhaupt bemerkt hätten. Co-Location ist ein Platzierungsmodell für rechner, bei dem die eigenen Rechner in die Nähe von Rechnern eines Dienstleisters oder anderer Kunden dieses Dienstleisters gestellt werden, beispielsweise die Server eines Flash- (Hochfrequenz-) Traders neben den Börsenrechner einer Börse oder Bank. Die daraus resultierenden Geschwindigkeitsvorteile von einigen Millionstel Sekunde reichen aus, um solchen Händlern gegenüber dem gesamten markt einen Vorteil zu verschaffen, und solche Vermietungen sind derzeit gang und gäbe. Wie der Sekundenhandel genau funktioniert, was er bewirkt und was man dagegen tun kann, zeigt dieses Buch. Es liest sich wie ein Krimi, auch wenn man sich zum Verständnis mancher technischer und wirtschaftlicher Details doch etwas Zeit nehmen sollte. Wer das Buch gelesen hat, wird hellhörig, wenn Hightech-Firmen die Notwendigkeit immer schnellerer Rechner mit den Bedürfnissen der Kunden aus dem Finanzwesen begründen und stellt wahrscheinlich das Paradigma „Schneller ist besser“ grundlegend in Frage.

Bibliographie: Michael Lewis: Flash Boys. Revolte an der Wall Street. 1. Aufl. Campus-Verlag München 2014. ISBN 978-3-50123-9, 24,99 Euro.

Klimawandel: Warum wir uns nicht einig werden

Die Konferenzen kommen und gehen, der Klimawandel bleibt bestehen. Zwar gibt es hier und da Fortschritte, doch insgesamt steigt der CO2-Ausstoß weiter genau wie Temperaturen und Meeresspiegel – freilich alles so langsam, dass es dem Einzelnen nicht ausreichend auffällt, um zu sofortigen Aktionen zu motivieren. Warum funktioniert beim Klimawandel nicht, was beim Ozonloch so großartig klappte – eine gemeinsame Aktion, die das Problem mittelfristig sicher löst?
Die Trägheit des gesellschaftlichen Systems gegenüber der Herausforderung Klimawandel, so die These des Autors Mike Hulme („Streitfall Klimawandel, Warum es für die größte Herausforderung keine einfachen Lösungen gibt“) , ist nicht eine Frage fehlenden Wissens, sondern von Werten und Einstellungen auf allen Ebenen und in allen Bereichen aller Gesellschaften global. Denn Klimawandel ist anders als die Ozonlochproblematik ein umfassendes Phänomen, dessen Auswirkungen noch dazu erst spätere Generationen spüren werden.
Diese These unterfüttert Hulme, der jahrzehntelang in der Klimaforschung gearbeitet hat, mit einer brillianten Analyse. Anhand diverser Aspekte, die jeweils in einem Kapitel diskutiert werden – Glaube, Werte, ökonomische Idealvorstellungen, Risikoverhalten, -kommunikation und –wahrnehmung, Fortschrittsbegriff und politische Machtverhältnisse ¬ belegt er, dass jeder Mensch und jede Interessengruppe bis hin zu Staaten auf jedem dieser Felder so unterschiedliche Einstellungen haben kann und hat, dass auf den bloßen Fakt des Klimawandels vollkommen unterschiedliche Reaktionen erfolgen. Das Vertrackte dabei: Jede Reaktion ist jeweils sehr gut aus dem Weltbild der jeweils davon Überzeugten zu begründen, mithin aus der jeweiligen Sicht vollkommen richtig.
Kein Wunder, dass es da zu keiner Einigung kommen kann: Sozialisten haben nun einmal andere Vorstellungen als überzeugte Anhänger des Kapitalismus, Christen andere als Hindus oder Muslime, diktatorische Machthaber andere als Demokratien, die Bewohner andere als die von Inselstaaten und so weiter und so fort. Das Problem „Klimawandel“ mit einem Schlag, sozusagen mit der großen Fliegenklappe – heiße die nun Energiewende und Cleantech, Zertifikatehandel oder Konsumverzicht – lösen zu wollen, muss deswegen scheitern.
Doch was dann tun? Hulme gibt hier zwei Anregungen: zum einen das bewusste Arbeiten mit punktuellen, experimentellen, pluralistischen, „unbeholfenen“ und durchaus konkurrierenden oder überlappenden Lösungen, denn „große Würfe“ haben, das zeigte Kyoto, bei diesem Problem anscheinend wenig Chancen. Zum anderen schlägt er vor, Klimawandel eher als ein neues gesellschaftliches Paradigma denn als Problem zu betrachten. Dann können auf dem Hintergrund der Grundvorstellung von einer sich klimawandelnden Gesellschaft neue Ideen aller Art entwickelt werden. Das, so meint Hulme, würde den Gesellschaften der Welt die nötigen Spielräume für sinnvolles Handeln auf den unterschiedlichen Ebenen eröffnen, ohne dass dieses Handeln von den Mühlen des Meinungskampfes behindert oder verhindert wird.

Bibliographie: Mike Hulme: Streitfall Klimawandel. Warum es für die größte Herausforderung keine einfachen Lösungen gibt. 400 Seiten, gebunden, oekom verlag München, 2014
ISBN-13: 978-3-86581-459-3, 24,95 Euro.

Große Transformation zum Selbermachen

Rob Hopkins ist einer der Begründer der Transition-Town-Bewegung. Deren Ziel ist es, die „Große Transformation“ zur nachhaltigen Gesellschaft einfach im Hier und Jetzt zu beginnen, statt auf irgendeine Zukunft zu harren oder zu hoffen, irgend jemand anders werde es schon erledigen. Das broschierte Büchlein ist ein Mut- und Muntermacher für alle, die an der Trägheit der Zustände und ihrer eigenen schon fast verzweifelt sind, aber auf jeden Fall ihr Leben in Richtung Nachhaltigkeit verändern wollen. Er bringt dabei ein schönes Beispiel, das ich aus meiner eigenen Berufspraxis als Journalistin bestätigen kann: Hopkins berichtet von einer Management-Tagung, auf der die Manager selbst in einer geschützten Umgebung mehr oder weniger alle zu dem Schluss kamen, dass es mit dem Wachstum vorbei sei, dass man die natürlichen Grenzen respektieren müsse etc. Dieselben Manager auf dem Podium einese Industriekongresses reden wieder von Wachstum, ROI (Return on Investment), Rendite, Beschleunigung und Effizienz. Das erlebe ich auch immer wieder, wenn ich mich auf Presseveranstaltungen, Kongressen oder bei anderen Gelegenheiten mit durchaus höherrangigen Firmenvertretern unterhalte: Sie wissen durchaus um die Lage und sehen, dass es so nicht weitergeht, reden aber, sobald sie auf einer Bühne oder in einem offiziellen Kontext stecken, exakt das Gegenteil. Hopkins hat sein Buch in einer verständlichen Sprache geschrieben. Im ersten Kapitel beschreibt er, warum die Transformation nötig ist, warum jeder einzelne einfach damit anfangen kann und auch sollte. Und schließlich zeigt er, dass sich an vielen Stellen schon zaghafte erste „Nachhaltigkeits-Pflänzchen“ zeigen.
Anschließend kommt ein Kapitel dazu, wo und wie Transition-Initiativen schon was erreicht haben und warum. Kapitel Drei befasst sich mit dem Wie der Angelegenheit. Gerade hier ermutigt Hopkins, er macht aber auch klar: Ohne Zeitaufwand und Eigeninitiative geht es nicht. Außerdem weist er darauf hin, wie wichtig es ist, einerseits an einem Thema zu arbeiten, andererseits aber auch darauf zu achten, dass die Gruppe, die an dem Thema arbeitet, eine Struktur bekommt und sich gut entwickelt. Kapitel Vier bricht das Transition-Thema auf deutsche Verhältnisse herunter, denn auch hierzulande gibt es bereits 40 Initiativen, die meisten von ihnen noch sehr jung. Es lohnt sich also, in der eigenen Stadt nachzuforschen, ob es schon eine Transition-Initiative gibt, der man sich anschließen könnte. Die Literaturliste ist umfangreich und die meisten zitierten Arbeiten im Internet zugänglich, was die Weiter- und Nachrecherche erleichtert. Denen, die eigentlich gern etwas täten, sich aber nicht trauen, ist das Buch auf jeden Fall zu empfehlen, allen anderen könnte es den Weg zu einem solchen Wunsch ebnen. Denn was Hopkins neben neuen Projekten vor allem anregen will, ist die Einsicht, dass Nachhaltigkeit nicht Kargheit und Verlust, sondern wahrscheinlich mehr lokale Vielfalt und Reichtum bedeutet.

Bibliographie: Rob Hopkins: Einfach. Jetzt. Machen! Broschiert, 192 Seiten, Oekom-Verlag München 2014, ISBN 3-86581-458-1, 12,99 Euro.

Ressourcenthema ohne Katastrophismus gedacht

Bücher über Ressourcenmangel gibt es reichlich, seit die Befürchtung Raum greift, Mangel an Wasser, fruchtbarem Boden oder Klimaschöden könnten das Los der Menschen auf der Erde dauerhaft verschlechtern. Der Anfang des Jahres im oekom-Verlag erschienene Band „Wettstreit um Ressourcen“ betrachtet das Thema kritisch und bürstet einige gern geäußerte Themen gegen den Strich. Weil das Buch aus einer Ringvorlesung der Universität Osnabrück und Vorträgen im Rahmen anderer Veranstaltungen entstanden ist, geschieht dies in Form einzelner, voneinander unabhängiger Beiträge, zu denen jeweils reichlich Sekundärliteratur angegeben ist, so dass man bei Themen, die besonders interessant erscheinen, Stoff zum Weiterlesen findet.
Die Aufsätze gliedern sich in drei Bereiche: Teil I befasst sich generell mit der Frage, ob und in welchem Umfang Ressourcenmangel politisch in einen Sicherheitskontext eingeordnet und zur Ursache sozialer, gesellschaftlicher oder kriegerischer Konflikte werden oder bereits geworden sind.
Teil II betrachtet das Thema Klimawandel, Teil III Wasser und Boden als bedrohte Einzelressourcen.
Die beiden Aufsätze des ersten Teils versuchen, die Reichweite des Themas abzustecken. Dabei geht es zum einen in die häufig zu beobachtende Integration von Ressourcenfragen in sicherheitspolitische Kontexte. Dabei unterscheidet der Autor einerseits zwischen geografischen Bezügen wie global/regional, zwischenstaatlich oder innerstaatlich und dem jeweiligen Ressourcenbezug (Knappheit, Überfluss, Abhängigkeit). Je nachdem, ob eine Ressource knapp, reichlich oder aber das Land prägend erscheint, bedeutet das auf jeder geografischen Ebene charakteristische Konfliktmöglichkeiten, die der Beitrag herausarbeitet. Der Autor versucht zu beschreiben, was dazu führt, dass Prozesse, die sich entlang der Verfügbarkeit von Ressourcen entwickeln, immer stärker in Kriterien der Sicherheitspolitik diskutiert werden – und unter welchen Umständen auch eine Rücknahme der Securitization möglich ist oder aber ihr Entstehen verhindert werden kann. Der zweite Beitrag beschreibt, welche gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen dazu führen können, dass Ressourcenknappheit und –überfluss zu konflikten führen. Dabei setzt sich der Autor intensiv mmit dem vorhandenen Studienmaterial und den zum Teil nicht ausdiskutierten Theorien über Ressourcen als Konfliktursache auseinander.
In Teil II mit insgesamt fünf Aufsätzen geht es explizit um das Thema Klimawandel. Diskutiert wird beispielsweise, ob der Klimawandel den globalen gesellschaftlichen Trend zu weniger Gewalt, der statistisch belegt ist, umkehren könnte (dazu gibt es keine eindeutige Antwort). Mit Otmar Edenkofer befasst sich ein Spezialist mit den Entwicklungen der aktuellen Klimapolitik nach Durban. Ein dritter Aufsatz begründet, warum Klimapolitik gewissermaßen die zukünftige Weltpolitik ist beziehungsweise sein muss. Der Beitrag weist aber auch darauf hin, dass es immer schwerer werden dürfte, sich international zu vertrauen, wenn der Klimawandel ungebremst fortschreitet und fordert deshalb zu schnellem Handeln auf, im zweifel auch in kleinen internationalen Koalitionen ohne die Bremser der Klimapolitik wie USA und China. Ein weiterer Beitrag befasst sich mit der Unterechtigkeit des Klimawandels, der genau die am härtesten trifft, die am wenigsten zu ihm beitragen, und deren Auswirklungen. Schließlich geht es in einem Text um die in der EKD-Denkschrift „Umkehr zum Leben – Nachhaltige Entwicklung im Zeichen des Klimawandels“ aufgestellten Normen und ihre Anwendung in der Evangelischen Kirche Deutschlands. Hier zeigt sich, dass der ernsthafte Versuch, eine Organisation klimagerecht auszurichten – die Nordkirche der EKD möchte bis 2050 kohlendioxidfrei sein und schon bis 2017 ihre Emissionen um ein Viertel senken. Beim Bericht über die Bestrebungen zeigt sich, dass hier durchaus tief in die Lebensweise der einzelnen Kirchenmitarbeiter und –mitarbeiterinnen eingegriffen wird.
Teil III befasst sich mit zwei für das Überleben der Menschheit besonders wichtigen Ressourcen: Wasser und Boden. Dabei gilt es festzustellen, dass es keine Grundlage dafür gibt, anzunehmen, Wasserknappheit führe automatisch zu Kriegen. Die vorhandenen Daten jedenfalls, auf die sich gleich mehrere Aufsätze in diesem Themenbereich beziehen, sagen etwas anderes: Nur eine einstellige Zahl der Wasserkonflikte endete in Kriegen, etwas eher resultierten sie in innerstaatlichen Konflikten. Betont wird die Notwendigkeit, kooperative Governance gemeinsam genutzter Wasserressourcen zu fördern.
In den drei abschließenden Texten geht es um das Thema Land und Landgrabbing. Hier wird das derzeit herrschende Denkparadigma, es gehe vorwiegend darum, Eigentumstitel auszustellen, anhand der Resultate dieser Politik in verschiedenen Regionen in Frage gestellt. Am Beispiel von Nordafrika wird versucht, die Rolle des Ressourcenmangels beim Entstehen des sogenannten Arabischen Frühlings genauer zu analysieren. Schließlich nimmt ein Aufsatz die Landnahme zum Zweck des ökologischen Schutzes in den Blick. Wer sich für grundlegende Ressourcenthemen und einen Diskurs abseits des populärwissenschaftlichen Mainstreams mit seinem katastrophensüchtigen Unterton interessiert, findet in dem broschierten Buch einen guten Einstieg ins Thema.

Bibliographie: Ulrich Schneckener, Arnulf von Scheliha, Andreas Lienkamp, Britta Klagge (Hrsg.): Wettstreit um Ressourcen. Konflikte um Klima, Wasser und Boden. Broschiert, 278 Seiten, 14 Einzelbeiträge, jeweils mit ausführlichen Angaben zur Sekundärliteratur. Oekom-Verlag, München, 2014. ISBN 9-783865-814210, 29,95 Euro.

(Wie) Geht Nachhaltigkeit psychologisch?

Nachhaltigkeit ist inzwischen eine Art Zauberwort, in das sich nahezu alles einpacken lässt. Der Begriff wird heute derart verwässert, dass man auch dauerhaftes Wirtschaftswachstum als nachhaltig begreift, was ja eigentlich genau das Gegenteil ist, nämlich nicht nachhaltig. Zwei Bücher aus dem oekom-Verlag beschäftigen sich mit der Frage, wie wirkliche Nachhaltigkeit – also dauerhaftes menschliches Leben auf einer Erde mit den vorhandenen Ressourcen, ohne den Nachkommen und anderen Lebewesen die Lebensmöglichkeiten über Gebühr zu beschneiden, aussehen könnte.
Das erste, „Damit gutes Leben einfacher wird“ befasst sich mit den Rahmenbedingungen, die der Staat setzen müsste (es aber häufig unterlässt), damit suffizientes Verhalten nicht das schweißtreibende und noch dazu gesellschaftlich relativ ineffiziente Hobby einzelner Gutwilliger bleibt, sondern zur gesellschaftlichen Leitlinie wird. Und es räumt auf mit dem Vorurteil, dass dauerhaftes Wachstum auch in den entwickelten Ökonomien irgendetwas mit Lebensqualität zu tun hat. Geschrieben haben es Uwe Schneidewind, Leiter des Wuppertal-Instituts für Klimaforschung, und Angelika Zahrnt, langjährige Vorsitzende des Bund Naturschutz und bis heute Mitfrau des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierun. Die beiden legen ein viergliedriges Konzept zugrunde und untermauern dieses dann mit Maßnahmen, die in vier Kapiteln dargestellt werden. Als die vier Säulen ihres Konzepts nennen sie Ermöglichen, Rahmensetzung, Gestaltung und Orientierung (ERGO). Die einzelnen Maßnahmen, die in den vier ersten Kapiteln (eins zu jeder Säule) vorgeschlagen werden, sind dabei an sich nichts Neues (dezentrale Energieversorgung und Energieeinsparung, ökologische Steuerreform, Entschleunigung, Verteuerung des Flugverkehrs….). Sie werden hier aber unter dem Label Suffizienzpolitik konsequent zu einer sinnvollen Einheit verschweißt, die von Anfang an klar macht, wohin das Ganze zielt: Nämlich auf ein gutes Leben trotz sehr geringem oder keinem Wirtschaftswachstum. Dass der Zug, strebt man Nachhaltigkeit an, unweigerlich in diese Richtung fährt, darum reden sich die meisten Umweltpolitiker inzwischen nämlich vornehm herum, sogar bei den Grünen ist heute leider von „Green Growth“ statt von Suffizienz und damit Wachstumsverzicht die Rede. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der Rolle der Zivilgesellschaft, von der momentan die konsequenteren Ansätze in dieser Richtung ausgehen. Die Autoren zeigen auf, wie Bürger, Umweltverbände, Gewerkschaften, Wissenschaft, Unternehmen und andere sich auf den Weg zur Suffizienz machen können. Das Büchlein im handlichen Kleinformat passt in jede Tasche und eignet sich daher als argumentative Munitionierung für entsprechende Debatten.
Das zweite Buch, „Psychologie der Nachhaltigkeit“, befasst sich mit der interessanten Frage, welche seelischen Ressourcen eigentlich dem Wachstum gerwöhnten Menschen der Neuzeit zur Verfügung stehen, um mit einem Verlust an Wachstumsperspektiven auf der materiellen Ebene fertig zu werden. Nach der Analyse der bisherigen Forschung aus verschiedenen Gebieten ordnet der Autor das Thema in einen theoretischen Rahmen ein, die sogenannte Genuss-Ziel-Sinn-Theorie des subjektiven Wohlbefindens, die sich grob dahingehend zusammenfassen lässt, dass es sich, zumindest wenn ein Minimum materieller Güter vorhanden ist, lohnt, sich stärker auf immaterielle Ziele zu konzentrieren, um Glück, Zufriedenheit und Lebenssinn zu steigern. Damit dies gelingen kann, identifiziert der Autor sechs Ressourcen, nämlich Genussfähigkeit, Selbstakzeptanz, Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit, Sinnkonstruktion und Solidarität, die, optimal ausgeschöpft, erreichen können, dass Menschen sich von Gelderwerb als Glücksquelle ab- und anderen Themen zuwenden. In den nachfolgenden Kapiteln untersucht er, wie einzelnen gesellschaftliche Akteure, angefangen beim Individuum bis hin zu Organisationen aller Art und zum Gemeinwesen (Gemeinde, Land, Staat…) dazu beitragen können, dass die vorher definierten Ressourcen optimal entwickelt und genutzt werden können.
Dankenswerterweise setzt sich der Autor auch damit auseinander, was es bedeutet, wenn einzelne Ressourcen „überentwickelt“ werden: Wer nur an den Genuss denkt, wird kaum aus Solidarität aus irgendwas verzichten, wer nur die Solidarität im Auge hat, wird wahrscheinlich schnell einem Burnout zum Opfer fallen und so weiter. Auch andere kritische Aspekte werden diskutiert, beispielsweise die der „positiven Psychologie“ häufig unterstellte fehlende Wissenschaftlichkeit oder das Problem, wer eigentlich bestimmt, wie viel Glück ausreicht und wie das überhaupt zu messen ist etc. Eine umfangreiche Literaturliste ietet Anregungen zum Weiterlesen. Leider ist das Buch im gegensatz zur ersten Publikation in einem zum Teil extrem hölzernen Wissenschafts-Jargon geschrieben, die an sich hochinteressanten Inhalte werden dadurch schwer verdaulich. Das ist schade. Wem ein Übermaß an -ung-, heit-, keit und Schachtelsätzen nichts ausmacht, wird das Buch trotzdem mit Gewinn lesen.

Bibliographie:
Uwe Schneidewind, Angelika Zahrnt: Damit gutes Leben einfacher wird. Perspektiven einer Suffizienzpolitik. Broschiert, 171 Seiten, oekom-Verlag, München, 2013. ISBN 9-783865-814418, 12,95 Euro.
Marcel Hunecke: Psychologie der Nachhaltigkeit. Psychische Ressourcen für postwachstumsgesellschaften. Broschiert, 121 Seiten, oekom-Verlag München 2013. ISBN 9-783865-814524, 19,95 Euro.