Rezension: Alles upcyclen – geht das?

Cradle to cradle heißt ein neues industrielles Paradigma, das weit über die bisherige Kreislaufwirtschaft hinausgeht. Denn hier soll jeder Input in ein Produktionssystem am Ende wieder zu einer Komponente eines möglichst höherwertigen Zyklus werden, so dass sich das Wirtschaftssystem am Ende dem Entropiegesetz zu Trotze gewissermaßen unaufhörlich aufwärts entwickelt, jedenfalls so lange, wie uns die Sonne eine für den Bedarf der Erde im Grunde weit mehr als ausreichende Energiemenge schickt. In ihrem neuen Buch erläutern Michael Braungart und William McDonough, die Cradle-to-Cradle-Erfinder, diesen Ansatz theoretisch und an Beispielen. Das Verlockende daran: Sie wähnen die Menschen „Auf dem Weg in eine neue Überflussgesellschaft“ – Knappheiten, wie sie Malthus und andere immer wieder prophezeiht haben, Sparanforderungen auf jeder Ebene – auch beim Kohlendioxid – gehen aus ihrer Sicht an den Möglichkeiten und Tatsachen der menschlichen Gesellschaft schlicht vorbei. Bei solchen Ansätzen sprechen sie von „Ökologismus“, der den Menschen die Freude und der Wirtschaft die Chance zu wachsen nähme. Vielmehr müsse man das System einfach neu und vernünftiger erfinden, dann werde es auf allen Ebenen Überschüsse produzieren, die niemandem schaden, aber dem Gesamtsystem – auch der Ökosphäre – nutzen. Insgesamt wollen die Autoren nichts Geringeres als die gesamte Wirtschaft auf diesen Pfad führen, und der Weg dazu führt über eine Cradle-to-Cradle-Zertifizierung, bei der Herstellungsprozesse bis ins kleinste Detail durchleuchtet, schrittweise gefährliche oder rare Materialien durch andere ersetzt und so die gesuchten Upcycling-Kreislaufe gebaut werden.
Das liest sich ganz wunderbar, und natürlich ist absolut nichts dagegen einzuwenden, wenn Unternehmen ihre Produktion, ihren Output und auch die Wieder- oder Neuverwertung ihrer Erzeugnisse ganz fest in den Blick nehmen. Doch die Cradle-to-Cradle-Theorie stilisiert sich selbst zu einem -ismus, den die Autoren an sich verdammen. Sie verabsolutiert sich und tut so, als gäbe es für Cradle-to-Cradle keine Grenzen der Anwendbarkeit. Doch es erscheint sehr zweifelhaft, ob die Lehre vom Upcycling wirklich auf alle Lebens- und Produktionsbereiche tauglich ist oder ob manche Industriezweige, so lange sie wachsen, bleiben, was sie sind: Energie- und Materiefresser. So ist bisher kein einziges Mobilitäts- oder Elektronikprodukt (Server, Speicher, Storage, Router, Auto, Motorrad….) nach Cradle-to-Cradle-Kriterien zertifiziert, und wie das die nunmehr entstehenden Nano- und Biotech-Produkte schaffen sollen, bleibt rätselhaft.
Aber das Denken von Braungart und McDonough hat auch noch einen weiteren Haken: Sie betonen immer wieder, dass die Natur immerzu Überfluss produziere und das keine negativen, sondern positive Auswirkungen habe. Das ist in der gewählten Faktenverkürzung so schlicht nicht richtig: Überfluss gibt es in der Natur entweder, weil die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass das einzelne Element überlebt. Das gilt beispielsweise für Sporen, Pflanzensamen, Spermien und die Familie mit elf Kindern, aber nur zwei daraus hervorgehenden Erwachsenen, wie sie vor den Impfungen, Antibiotika etc. durchaus üblich war. Oder aber der Überfluss führt irgendwann dazu, dass das betreffende Element durch seine überstrapazierte Umgebung radikal reduziert wird. So beispielsweise bei Lemmingen, beim klassischen Gleichgewicht zwischen Füchsen und ihren Beutetieren etc. Dass der Mensch es durch seinen Erfindungsreichtum immer wieder geschafft hat, diese Grenze hinauszuschieben, ist wunderbar, aber keine Garantie für die Zukunft.
Insofern haben mich bei der Lektüre des Buches sehr viel mehr die praktischen Beispiele inspiriert als die Theorie der Autoren, die manchmal allzu sehr danach klingt, als könne eine menschliche Gesellschaft ohne permanentes Wirtschaftswachstum überhaupt nicht existieren. Das zu glauben, ist genauso ein -ismus (der derzeit dominante) wie der von den Autoren geschmähte „Ökologismus“, von dem man in der Lebenspraxis ohnehin kaum etwas spürt. Die Lektüre lohnt sich trotzdem, besonders für diejenigen, die in ihren Unternehmen gern ernsthaft ökologisch arbeiten wollen. Denn zu Schritten in die richtige Richtung inspiriert das Cradle-to-Cradle-Denken auf jeden Fall.

Bibliographie: Michael Braungart, William McDonough: Intelligente Verschwendung. The Upcycle. Auf dem Weg in eine neue Überflussgesellschaft. Broschiert, 208 Seiten, Oekom-Verlag, München 2013. 17,95 Euro.

Rezension: Aufruf zum Weniger-Werden

Während Aspekte wie Klimaveränderung, Knappheiten bei Wasser, bebaubarem Land und anderen Ressourcen ständig im Blickpunkt stehen, ist dies bei der Bevölkerungsentwicklung weit weniger der Fall. Nun beschäftigt sich Alan Weisman, der Autor des Weltbestsellers „Die Welt ohne uns“ mit diesem Thema.

Der Autor von „Countdown“, Alan Weisman, hat sich auf eine mehrjährige Reise rund um den Globus begeben, um vier Fragen zu beantworten. Sie befassen sich mit der Tragfähigkeit von Ökosystemen, den Mindestbedarf an ökologischen Systemdienstleistungen, die die Zivilisation benötigt, den möglichen Wegen, um die Beschränkung der Zahl der Menschen ohne gewaltsame Eingriffe zu erreichen, und eine Ökonomie ranken, die mit schrumpfenden Bewohnerzahlen zurechtkommt, weil sie selbst nicht mehr wächst.
Das ist für ein in Deutschland erhältliches Buch kein unkritisches Thema, denn spätestens seit die Nazis jede Beschäftigung mit bevölkerungspolitischen Fragen diskreditiert haben, ruft allein schon die Diskussion dieses Themas gerade bei linken Kreisen Stirnrunzeln hervor. Doch Weisman lässt an keiner Stelle Zweifel daran, dass das Konsumniveau der industrialisierten Nationen genauso problematisch ist wie der Zuwachs an Bevölkerung. Allerdings weist er darauf hin, dass auch Menschen in den ärmeren Ökonomien nach mehr streben und man ihnen das auch kaum streitig machen kann.
Ein Ansatz, der Ressourcen schützen will, ohne dass die Zahl der menschlichen Erdbewohner sinkt, scheint ihm zum Scheitern verurteilt. Das klingt zunächst fremd, denn verschiedene Akteure sind der Ansicht, die Probleme bei der Nahrungsversorgung ließen sich lösen, sobald nur die Nahrungsmittel gerecht verteilt würden. Weisman zeigt jedoch, dass das Nahrungsproblem nur eines von vielen ist und seine Lösung naturgemäß ebenfalls sehr viel einfacher wäre, wenn weniger Bäuche gefüllt werden müssten. Immerhin bewohnen heute dreimal mehr Menschen den Globus als noch in den Sechzigern, und der Anstieg setzt sich fort, wenn auch einige Wissenschaftler glauben, die selbstwirksame Dynamik aus mehr Bildung und Wohlstand in vielen sich entwickelnden Ökonomien werde rechtzeitig und von selbst zu einem Rückgang der Vermehrungsrate führen.
Weisman ist nach Israel, Japan, Iran, die Philippinen, China, Indien, Nepal, Uganda, die USA und weitere Länder gereist, in denen sich schon heute Auswirkungen von Klimawandel und rapidem Bevölkerungsanstieg zeigen oder wo Bevölkerungspolitik in Gestalt von Geburtenkontrolle oder ihrem Gegenteil stattfindet. Er hat mit Wissenschaftlern, Betroffenen und Politikern gesprochen, sich die Umstände vor Ort angesehen und unterschiedliche Ansätze von Bevölkerungspolitik kennengelernt. Die Berichte von seinen Reisen sind spannende Reportagen, allein deshalb ist das Buch lesenswert.
Wer nun befürchtet, Weisman gelange zu dem Schluss, dass martialische Bevölkerungsplanungsprogramme wie das chinesische oder die indischen Massen-Sterilisationsaktionen der einzige oder gar beste Weg wären, irrt. Weismans belegt statt dessen an vielen Beispielen : Meist wollen Menschen und insbesondere Frauen keine großen Kinderzahlen, am liebsten lassen sie es bei ein oder zwei Kindern bewenden. Was sie dafür brauchen, ist Bildung und Aufwertung ihres Geschlechts im Allgemeinen und einen bezahlbaren Zugang zu Verhütungsmitteln. Je schneller diese beiden Dinge global verfügbar gemacht werden, desto größer sei die Chance der Menschheit, innerhalb der nächsten hundert Jahre wieder in die Grenzen der dauerhaften Tragfähigkeit der Erde zurückzuschrumpfen, die die von Weismann befragten Experten bei 1,5 bis zwei Milliarden Menschen verorten. Den Versprechen der grünen Gentechnik steht Weisman nach seinen Besuchen in Indien skeptisch gegenüber. Die dort verwendeten Super-Arten, haben durch ihren ohen Waasserbedarf den Boden ausgetrocknet, was nun die Bauern, die Wasser, Dünger und Saatgut nicht mehr bezahlen oder beschaffen können, reihenweise in den Selbstmord treibt.
Weismans Berichte lassen keinen Zweifel daran, dass es immer noch genug Politiker und Ehemänner gibt, die von einer Beschränkung der Fruchtbarkeit aus Tradition oder anderen Erwägungen nichts wissen wollen, weshalb es besonders wichtig sei, die Frauen zu adressieren und ihnen Möglichkeiten zu geben, sich selbständig für eine Begrenzung der Kinderzahl zu entscheiden. Andererseits spricht Weisman auch von den Vorteilen, die neuartige Verhütungsmethoden für Männer mit sich brächten.
Was ein Schrumpfungsprozess bei den Bevölkerungszahlen, sollte er durch menschlichen Willen statt durch Naturkatastrophen, Hunger und Kriege zustande kommen, ökonomisch und sozial bedeutet und wie man ihn handhaben könnte, dafür hat Weisman keine schlüssigen Antworten, aber Ansätze. Die gibt es heute schon in Japan und China zu besichtigen: Pflegeroboter, Alten-Gemeinschaften, die Neubelebung fast ausgestorbener Dörfer durch Großstadt-Flüchtlinge, die bereit sind, einfacher und dafür in Ruhe zu leben etc.
Weisman ält sich mit eigenen Bewertungen zurück, sondern vertraut vielmehr in guter Journalisten-Manier den Aussagen seiner Gesprächspartner. Deren gelebte Praxis, Forschungsergebnisse, Projekte und Ideen machen Hoffnung, das heikle Thema nicht mehr länger zu tabuisieren und sich auch hierzulande von der Sicht zu verabschieden, schrumpfende Bevölkerungszahlen schafften unlösbare Probleme. Insofern ist Weismans Buch ein wichtiger Beitrag zu einer Diskussion, die hier und anderswo geführt werden muss, statt Frauen, die sich für nur ein Kind oder keine Kinder entscheiden, via Herdprämie zur Vermehrung wider besseres Wissen und Wollen in einer ohnehin heillos überfüllten Welt zu motivieren. Und es kommt ohne den Zynismus des Kurzbüchleins „Zehn Milliarden“ aus, das sich gleichzeitig mit demselben Thema beschäftigt und auf der letzten Seite als einzige Lösung anbietet, Kinder (natürlich nur die Söhne) im Gebrauch von Schusswaffen zu unterweisen.

Bibliographie: Alan Weisman, Countdown. Hat die Erde eine Zukunft? Gebunden, einige s/w Fotografien, 576 Seiten, Piper-Verlag, ISBN 3-492-05431-5, 24,99 Euro

Klimakonferenz – die Farce im Osten

Die aktuelle Klimakonferenz entwickelt sich immer mehr zur schrillen Tragikkomödie. So wird das Event, das angeblich den Klimaschutz voranbringen soll, von Energieriesen und Autofirmen gesponsort. Das ist, so wurde eine europäische Zeitung in der täglichen morgendlichen Presseschau vom Deutschlandfunk zitiert, als würde man die Tabakfirmen einen Kongress zu den schädlichen Folgen des Rauchens ausrichten lassen.

Außer Geschwafel und wachsweichen Beteuerungen ist von Seiten der Industrieländer wenig zu vernehmen, was die Sache voranbringen könnte. Vor allem zu irgendwelchen verbindlichen Schadenersatzzahlungen an die vom Klimawandel schwer betroffenen Weltgegenden will sich kaum jemand so recht verpflichten. Da hofft man wohl weiterhin lieber auf mildtätige Spenden aus dem Weihnachtsbudget der Bevölkerung… Ist ja irgendwie klar: Solche Zahlungen vertragen sich schlecht mit dem allgemein verbreiteten Wachstumswahn, so kann man sie, anders als Sturmreparaturen anderswo durch Unternehmen des eigenen Landes (wenn also etwa Hochtief oder Bilfinger und Berger Straßen auf den Philippinen bauen würden), doch nun wirklich nicht als Exporte kennzeichnen und somit wachstumswirksam machen.

Das Ganze zeitigt nun Folgen: Unter Protest haben zahlreiche NGOs die Konferenz verlassen, wie der SPIEGEL berichtet. Man kann es den Vertretern dieser Organisationen kaum verdenken. Erstens sind sie sowieso nur als Beobachter zugelassen, und zweitens gibt es auf dieser Konferenz augenscheinlich nichts zu beobachten, was einen weiteren Aufenthalt am Tagungsort lohnend machen würde. Derweil steigt das Meer munter weiter.

Beinahe niedlich, dass der Fotograf James Balog in seinem wirklich wunderbar aufrüttelnden Film (jedenfalls rüttelt der Film die auf, die überhaupt aufgerüttelt werden wollen) Chasing Ice die gewagte These verbreitet, die industrialisierte Menschheit habe ein Wahrnehmungsdefizit. Ich glaube, sie hat ein Defizit an Bereitschaft, für die Folgen ihres Tuns geradezustehen, mithin ein Defizit in intergenerationellem Denken und Voraussicht. Ein Film – so ihn denn jemand ansieht – wird daran nichts ändern. Im Münchner City-Kino läuft er beispielsweise immer wochentags um 16 Uhr, wenn die meisten Menschen arbeiten. Die, die nicht arbeiten, haben jedenfalls keine Lust, sich den Klimawandel einzuverleiben. Trotz fast ganzseitiger Lobeshymnen in der Süddeutschen Zeitung (Feuilleton) waren in der Vorstellung, die ich besuchte, höchstens zwei Handvoll Leute. Kurz: Die meisten denken wohl, dass sie längst tot sind, wenn es richtig unangenehm wird, und warum soll man sich dann überhaupt einen Kopp machen. Soll doch die eigene Brut für sich selbst sorgen! Nach uns die Sintflut, na denn prost!

Sport als Motor für Wachstumskritik

Die Situation ist paradox: Einerseits wird uns erzählt, Wachstum um nahezu jeden Preis sei die einzige Chance, die wir haben, „oben“ zu bleiben (was immer voraussetzt, dass wir bereitwillig in Kauf nehmen, dass der Rest „unten“, also zumindest unter uns, ist). Auf der anderen Seite sitzen nun wieder mal (diesmal in Polen) Politiker und Klimaforscher zusammen, um angeblich darüber zu beraten, wie man den Kohlendioxidausstoß nach unten bekommt, in Wirklichkeit aber wohl hauptsächlich ihre Pfründe hüten. Derweil zerbröselt ein Sturm in noch nie dagewesener Stärke die Philippinen.
In den drei abstimmenden Gemeinden/Regionen rund um München und der Stadt selbst haben viele Menschen die Zeichen der Zeit so weit verstanden, dass sie sich für einen Abschied vom Weiter-So entschieden haben. Auch wenn das vielleicht nicht für die Mehrheit das entscheidende Argument war, für viele hat es doch mitgespielt, das habe ich bei den sehr vielen Gesprächen beim Flugblatt-Verteilen für Nolympia gehört: Eine Großveranstaltung, die für Unmengen Geldes mit vorhersehbaren Kostenüberschreitungen wegen vierzehn Tagen ganze Infrastrukturen und Landschaften ummodelt, kann schon allein deshalb unter gar keinen Umständen nachhaltig und für die Bewohner dieser Regionen überwiegend nützlich sein – jedenfalls nicht in einer bereits komplett verbauten Landschaft, die aus Vernunft im Übrigen zukünftig vor allem auf Sommertourismus setzt, weil der Schnee fernbleibt. Sie kann höchstens nachhaltiger sein als ihre Vorläufer. Ganz zu schweigen von den zehntausenden durch die Vorbereitung und Durchführung generierten Fernflügen, die gibt es ja im übrigen Tourismus auch (was diesen klimatechnisch betrachtet nicht besser macht).
Meiner Meinung nach ist die Absage an die Winterolympiade viel grundsätzlicherer Natur als es nun die Verlierer glauben machen wollen. Es gibt nämlich immer mehr Menschen, die erkennen, dass das Streben nach immer mehr und immer größer nicht mit dem Gesamtkontext (den Klimawandel abfedern, mehr für arme Länder tun, um Migrationsströme zu bremsen, mehr Geld für Pflege und Bildung aufwenden, verfallende Infrastruktur) vereinbar ist. Denn anlässlich Olympia wird vor allem Olympia-Infrastruktur gebaut, also beispielsweise keine Kitas, Pflegeeinrichtungen oder neue Asphaltdecken für Straßen in den Münchner Wohnvierteln, die heute Loch an Loch haben – das ist oft nicht, was nötig wäre, auch wenn diesmal 1300 Wohnungen abgefallen wären. Die kann man auch so errichten!
Die Befürworter konnten vom Ausgang dieses Entscheides nur deshalb so überrascht werden, weil sie offensichtlich gar nicht mehr merken, wie weit sie sich von den Bedürfnissen, Sorgen, Gedanken und Problemen der gemeinen Bevölkerung schon entfernt haben. Die aufdringlichen Werbedurchsagen in der S-Bahn, die einseitige Positiv-Information in den Wahlbriefen, die versuchte einseitige Pro-Meinungsmache der Münchner Medien und das ganze selbstsichere Gehabe ohne eine Spur des Zweifels belegen das überdeutlich. Viele Bürger selbst sizen nämlich down, nicht up – ob nun freiwillig oder der Not gehorchend: Sie schaffen ihre Autos ab, steigen in Genossenschaften ein, kaufen gebrauchte Klamotten und tauschen und Fernflüge gegen Heimaturlaub. Insofern sollten die Verantwortlichen dieses Ereignis als wirklichen Weckruf begreifen. Der schläfrige deutsche Michel ist dabei, aufzuwachen.

Zwei neue Initiativen für grüne Unternehmen

Grüne Unternehmensgründungen brauchen Rückenwind. Deshalb wurden jetzt zwei recht unterschiedliche Initiativen ins Leben gerufen.
Die eine, Startup4Climate, stammt von Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit, einem öffentlich finanzierten Forschungsinstitut, dem Bundesverband der deutschen Innovations-, Technologie- und Gründerzentren (ADT) und der EXIST-Gründerhochschule Universität Oldenburg . Gefördert werden Gründungen, deren Angebote dazu beitragen, den Kohlendioxidausstoß der deutschen Wirtschaft zu senken mit „innovativen Methoden, wobei es wohl (noch) nicht klar ist, welche das sein sollen. Außerdem unterstützt die Initiative Gründer- und Innovationszentren sowie Messen und führt Bildungs- und Qualifizierungmaßnahmen für Gründer durch. Ein Beispiel für die Initiativen ist ein neuer Bereich für grüne Gründungen auf der kommenden Industriemesse in Hannover, die im April 2014 stattfindet.
Die andere zielt darauf, Ideen mittels Crowdfunding zum Durchbruch zu verhelfen, für die sich keine konventionellen Financiers finden, weil sie zu ausgefallen, zu wenig gewinnträchtig oder aus anderen Gründen nicht förderungswürdig erscheinen. Crowdfunding bezeichnet die Finanzierung durch viele Einzelbeiträge von Privatpersonen oder anderen Financiers, oft verbunden mit kleinen Incentives. Populäre Crouwdfunding-Initiativen sind zum Beispiel das Fairphone oder das Robust-Modem BRCK. Bei der neuen Plattform Econeers geht um Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien wie Photovoltaik, Windenergie und Wasserkraft sowie Energieeffizienz. Beteiligen können sich Privatpersonen mit Beiträgen ab 250 Euro. Das erste Finanzierungsgesuch geht am 8. Oktober um 13 Uhr online. Hinter der Plattform stehen die Gründer von Seedmatch, einer deutschen Crowdfunding-Plattform.

Murks nein danke kommentiert die Stiftung Warentest

Einen interessanten Kommentar zu dem Bericht der Stiftung Warentest zum Thema „Geplante Obsoleszenz“ bringt die Facebook-Präsenz von Murks nein Danke, einem Anti-Obsoleszenz-Projekt von Stefan Schridde. Fazit: Die Lebensdauerplanung von Produkten auf immer kürzere Lebenszyklen wird von der Stiftung anscheinend nicht als geplante Obsoleszenz begriffen, sondern als das gute Recht der Produktentwickler. Wenn das mal nicht auf Dauer die Lebensdauer/Existenzberechtigung der Stiftung Warentest bedroht! Oder müssen wir davon ausgehen, dass sich die Stiftung als Konsum- und Verschleißbeschleunigungspromotor begreift statt als neutraler Sachwalter von Käuferinteressen? Dann wäre wohl die ungeplante Obsoleszenz der Stiftung nur eine Frage der Zeit, es sei denn, sie plant schon selbst auf ihr baldiges Ende hin.

Wenn Ressourcen zu teuer werden

Wir alle verbrauchen Tag für Tag mit kurz- und längerlebigen Gebrauchsgütern erhebliche Mengen an mineralischen Ressourcen. Da ist es interessant, sich einmal mit der Geschichte der menschlichen Ressourcennutzung und ihrer Perspektive zu befassen und zu beleuchten, wie sich die Verwendung bestimmter Schlüsselressourcen technisch, wirtschaftlich und politisch auswirkte und wohl in Zukunft auswirken wird. Genau das tut Ugo Bardi in seinem Bericht an den Club of Rome „Der geplünderte Planet“, der 2013 im oekom-Verlag in München erschienen ist.
Das Interessante an der rund 350 Seiten langen Arbeit sind die unterschiedlichen Perspektiven, unter denen Bardi das Ressourcenthema beleuchtet. Da erfährt man beispielsweise im ersten Kapitel zur Herkunft von Bodenschätzen, dass diese mitnichten einfach irgendwo im Weltraum beschafft werden können – weil Erzlager wie auf der Erde nämlich zu ihrer Entstehung bestimmte tektonische Prozesse erfordern. Und die gibt es auf vielen Himmelskörpern gar nicht. Also gibt es dort wohl auch keine Kohleflöze, Goldminen oder Eisenbänder, Salzseen (Lithium) etc. Wir erfahren auch, dass Kohle nur deshalb entstehen konnte, weil damals wohl noch keine Bakterien existieren, die das Lignin des Holzes zersetzen konnten. Und dass sich Kohle damit nicht mehr erzeugen lässt, außer in aufwändigen technischen Verkohlungsprozessen.
Nachdenklich macht auch zu lesen, dass sich der herbeigeredete Boom der Atomenergie vor allem aus Waffendemontagen speist und dass schon heute nicht ausreichend Uranerz im Boden verfügbar wäre, um all die Kraftwerke mit Brennstoff zu versorgen, die geplant sind. Das wirft ein vollkommen neues Licht auf die Planungen, die immer wieder veröffentlicht werden. Auch den Boom beim Erdgas und selbst die angeblich „unendlichen“ Kohlevorräte bezweifeln die Autoren der jeweiligen Detaildarstellungen mit guten Gründen und Zahlen. Kurz: Bardi führt uns vor Augen, dass, man drehe es, wie man wolle, mit unserem ressourcenverschwenderischen Lebensstil leider in Zukunft kein Weiterkommen mehr ist.
Auch das sogenannte Urban Mining sieht Bardi nicht als die Generallösung, als die sie zur Zeit angepriesen wird. Denn erstens sei die Recyclingquote gerade bei High-Tech-Gütern mit seltenen Metallen, etwa Handys, geradezu erschütternd gering, und zweitens sei der Prozess des Urban Mining mit riesigen Schmelzöfen selbst sehr technologieaufwändig und energiefressend Die Recyclingraten flächendeckend und für alle wichtigen Rohstoffe so zu erhöhen, dass dies wirklich hilft, sei extrem schwierig. . Ein umfassendes halb informelles Recyclingwesen für Wertstoffe, wie es beispielsweise in Indien oder Teilen Afrikas und Südamerikas existiert, könne sich anderswo kaum durchsetzen, weil diese Arbeit als zu gefährlich, schlecht bezahlt und schmutzig gilt.
Immer wieder verweist Bardi auf die Willkürlichkeit von Ressourcen- und Reservenschützungen und das Schindluder, das mit ihnen im Dienst politischer Bestrebungen getrieben wurde und wird. Er zeigt an vielen Beispielen, dass wahrscheinlich viele Schätzungen zu optimistisch, aber auf jeden Fall nicht verlässlich sind, dass also viele Ressourcen durchaus plötzlich sehr teuer werden könnten. Er erklärt, dass man nicht davon ausgehen kann, dass Ressourcen tatsächlich „ausgehen“. Vielmehr sei es der steigende Preis des Abbaus, der die Förderung früher oder später uninteressant macht: Was teuer ist, wird spätestens dann unterlassen, wenn es mehr kostet als einbringt.
Die langfristige Alternative der Menschheit, so Bardi tröstlich, ist nun aber nicht zwangsweise das Zurück in die Erdhöhle in Sack und Asche, sondern eine Mischung aus Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Recycling und Umstieg auf neue Materialien, die weniger selten sind. Denn elektrische Energie, der wichtigste „Rohstoff“, ließe sich, so Bardi, dezentral relativ unaufwändig erzeugen – allerdings werde er, so Bardi, nicht unbedingt wie heute immer, überall, jederzeit und in beliebiger Menge verfügbar sein. Der generierbare Strom werde aber wohl ausreichen, um auf absehbare Zeit mit technischem Geschick ein gewisses Komfortniveau vor Ort aufrecht zu erhalten – und überregional digital zu kommunizieren. Fragt sich, ob das so reizvoll ist wie heute, wenn man die Kommunikationspartner aus Energiegründen nur noch sehr selten wird besuchen können.

Bibliographie: Ugo Bardi: Der geplünderte Planet. Die Zukunft des Menschen im Zeitalter schwindender Ressourcen. Ein Bericht an den Club of Rome. Gebunden, 355 Seiten, zahlreiche s/w-Grafiken, Oekom-Verlag München 2013. ISBN 9-83695-814104, 22,95 Euro.

Rezension: Was wird in 40 Jahren?

Was in 40 Jahren sein wird, möchte sicher so mancher gerne wissen und tot so mancher auch prognostizieren.Einer von ihnen ist Jorgen Randers, eomer der Mitautoren der „Grenzen des Wachstums“, erschienen 1972. Jorgen Randers hat sich die inzwischen mehrfach (1993 und 2004) aktualisierten und erstaunlich realistischen Weltmodelle der damaligen Prognosen vorgenommen und weitergerechnet – bis zum Jahr 2052. Das Buch beschreibt die Ergebnisse seiner Kalkulationen und seine Interpretation dazu. Interessant ist, dass Randers zu vielen Themen externe Experten gebeten hat, die ihrerseits Einschätzungen und Prognosen liefern, zu denen Randers wiederum Stellung nimmt.
Die Welt, die er für 2052 für uns skizziert, ist noch nicht kollabiert, befindet sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Weg zum selbstverstärkenden Klimakollaps in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Die meisten Menschen leben in Städten, hungern nicht und werden noch älter als heute, müssen aber auch länger arbeiten. Die Weltbevölkerung ist endlich auf Schrumpfkurs eingebogen. Die natürlichen Ressourcen sind noch stärker übernutzt als heute, das Meer 30 cm angestiegen. Der Konsum hat in manchen Gegenden stark zugenommen (China, neue Industrieländer, Brasilien, Indien…), anderswo abgenommen (USA/Europa) oder ist erst gar nicht auf die Beine gekommen (nichtindustrialisierte Länder). Armut gibt es immernoch. Nachhaltigkeit ist nicht erreicht, das heißt, es wird mehr Kohlendioxid ausgestoßen als die Atmosphäre verkraftet und mehr verbraucht als nachwächst.
Es gibt Prognosen für einzelne Weltgegenden, die teilweise recht detailliert ausfallen. Runter geht es laut Randers für Teile der globalen Eliten von heute, kaum rauf geht es für viele Einwohner von Staaten, die noch nicht auf dem Weg zur Industrialisierung sind. Europa kommt ganz gut weg, aber mehr Geld gibt es nicht. Das wird von Infrastrukturmaßnahmen aufgefressen. Großer Verlierer sind außerdem die USA. Was ganz schlecht davonkommt, ist die Demokratie mit ihren langen, auf Mehrheiten angewiesenen Entscheidungswegen. Der Autor glaubt deswegen, dass autokratische Regime wie China am Ende bessere Chancen haben, mit dem Klimawandel fertig zu werden. Dort erfordert nicht jedes Windrad jahrelange Diskussionen mit der NIMBY-Fraktion. Das mag so sein, dennoch möchte ich weder auf Demokratie noch auf Nachhaltigkeit verzichten und hoffe immer noch darauf, dass die Menschheit vielleicht irgendwie ihre Vernunft benutzt, um den Karren zu wenden, bevor er richtig im Dreck steckt, und zwar in großer Zahl und demokratisch. Insofern kann man Randers vor allem als einen Aufruf lesen, das, was er prognostiziert wenn irgend möglich zu verhindern – demokratisch, bitte!

Bibliographie: Jorgen Randers: 2052. Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre. Gebunden, 430 Seiten, s/w-Grafiken. Oekom-Verlag, München 2013 (2. Auflage 2013), 24,95 €, ISBN 9-783865-813985

SPIEGEL-Artikel: Warum manche downgraden

Verzicht gilt immer noch als eine Art Schwachsinn und noch dazu als wachstumsschädlich. Aber inzwischen interessiert sich sogar der SPIEGEL, sonst eher ein Rückzugsraum für Wachstumsbegeisterte, dafür, warum Menschen sich selbst freiwillig einen nicht konsumorientierten Lebensstil verordnen und konsequent durchziehen. Höchst interessanter Artikel also für jeden, der das dumme Gefühl hat, dass Kleiderschrank, Kühlschrank und Mülltonne notorisch zu voll sind, während sich das Konto konsumhalber viel zu schnell leert.

Österreicher Label für Produkte ohne Sollbruchstellen

In Österreich gibt es jetzt ein Label für Produkte ohne Sollbruchstellen. Ausgedacht und entwickelt wurde es von Studenten. Leider können dieser wirklich sehr lobenswerten Initiative Vorschläge für Produkte, die das Label verdienen etc. nur über die Seite der Aktion bei der Datenkrake Facebook kommuniziert werden. Wünschenswert wäre nicht nur im Sinne des Datenschutzes eine weitere Präsenz irgendwo anders, wo man sich nicht erst persönlich registrieren muss, was ich bei Facebook ablehne, denn nicht jeder möchte sich der Sammelwut des amerikanischen Unternehmens aussetzen.